Nach drei verlorenen Landtagswahlen: Grünen-Spitze tritt geschlossen zurück

Artikel von Von Markus Balser, Vivien Timmler, Berlin/ SZ  sz.de
                                                    gztfret.jpg
 
Die Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin. © Fabian Sommer/dpa

Die Parteichefs Ricarda Lang und Omid Nouripour übernehmen die Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Grünen bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Der gesamte Bundesvorstand soll neu gewählt werden.

Grünen-Spitze tritt geschlossen zurück

Die Spitze der Grünen tritt geschlossen zurück. Das haben die Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour am Mittwoch bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz bekannt gegeben. „Wir sind zum Ergebnis gekommen: Es braucht einen Neustart“, sagte Grünen-Chef Nouripour. Jetzt sei „Zeit für Leute, die neu anpacken“, sagte er. Nötig seien „neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen“, sagte seine Co-Chefin Ricarda Lang. Jetzt sei nicht die richtige Zeit, „um am Stuhl zu kleben“.

Neben Lang und Nouripour wird auch der gesamte sechsköpfige Bundesvorstand mit Wirkung zum Parteitag in Wiesbaden im November die Ämter niederlegen. „Bis dahin führen wir die Grünen geschäftsführend“, sagte Ricarda Lang. Es brauche eine „strategische Neuaufstellung“ der Partei, gerade im Hinblick auf das kommende Jahr. Die anstehende Bundestagswahl sei „nicht einfach irgendeine Wahl“. Jetzt sei die Zeit gekommen, Verantwortung zu übernehmen. „Wir übernehmen sie, in dem wir einen Neustart ermöglichen.“

Der Bundeswirtschaftsminister und designierte Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck bezeichnete den Rücktritt als „großen Dienst an der Partei“. Der Schritt zeuge „von großer Stärke und Weitsicht“ und sei keineswegs selbstverständlich. „Es ist ein großer Dienst an der Partei“, so Habeck. Er sagte aber auch, die Niederlagen bei den letzten Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst gewesen. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“

Die Grünen sind im Osten an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert

Ursache für den Rücktritt des Grünen-Vorstands sind vor allem die desaströsen Ergebnisse bei gleich drei Landtagswahlen in Ostdeutschland in Folge. Nur in Sachsen ist der Partei der Wiedereinzug in den Landtag gelungen. In Thüringen und Brandenburg hingegen scheiterten die Grünen an ihren eigenen Ansprüchen und flogen aus den Landesparlamenten.

Zwar fanden die Parteivorsitzenden bei allen drei Wahlen mal mehr, mal weniger schlüssige Begründungen für das schlechte Abschneiden der Grünen: der Anti-Grünen-Wahlkampf der Union, der Aufruf zum taktischen Wählen, die Themenkonjunktur. Letztlich war die Partei aber nicht in der Lage, schlüssige Lehren aus den verloren gegangenen Wahlen zu ziehen.

„Das Wahlergebnis in Brandenburg ist das Zeugnis der tiefsten Krise dieser, unserer Partei seit einer Dekade“, sagte Nouripour am Mittwoch. Es sei notwendig, diese Krise zu überwinden – und auch möglich. Aber: „Dafür braucht es Veränderung.“ Lang ergänzte: „Es braucht neue Gesichter, um die Partei aus dieser Krise zu führen.“ Die Entscheidung sei den Parteivorsitzenden nicht leicht gefallen. „Aber wir treffen sie aus Überzeugung.“

Auch kein „Feng-Shui-Moment“ bei den Grünen

Vor allem Omid Nouripour hatte sich in den vergangenen Wochen und Monaten immer stärker von der Ampelkoalition distanziert und auch seiner eigenen Ernüchterung über die Arbeit mit SPD und FDP Ausdruck verliehen. Erst bezeichnete er das Bündnis als „Übergangsregierung“, dann gab er zu: „Der große Feng-Shui-Moment wird wohl nicht mehr kommen.“ Daran scheint er nun auch in seiner Rolle als Grünen-Parteichef nicht mehr zu glauben.

Dazu gehören neben Lang und Nouripour auch ihre Stellvertreter Pegah Edalatian und Heiko Knopf sowie der Bundesschatzmeister Frederic Carpenter und die politische Geschäftsführerin der Grünen, Emily Büning. Insbesondere Letztere war in den vergangenen Monaten immer stärker in die Kritik geraten. Schon nach der verloren gegangenen Europawahl hatten viele die Schuld bei Büning und ihrem Kampagnenmanagement gesucht.

Als potenzielle Nachfolgerin von Lang und Nouripour wird insbesondere Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, gehandelt. Sie soll dem Vernehmen nach auch für die Bundestagswahlkampagne der Grünen für das kommende Jahr zuständig sein und gilt als eine enge Vertraute des designierten Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck. Genau wie der Wirtschaftsminister gilt sie als Pragmatikerin und als eine, die die Partei wieder mehr in die Mitte rücken will.