Ende des Volkspartei-Traums: Die Grünen dürfen nicht immer Nein sagen
Zur Regierungshalbzeit stehen die Grünen wieder dort, wo sie eigentlich nicht mehr sein wollten: Sie drohen, wieder zur ins eigene Milieu verliebten Nischenpartei zu werden. Die Migrationskrise und zuvor das missglückte Wärmepumpen-Gesetz könnten sie mit Wucht zurück in eine überwunden geglaubte Phase ihrer eigenen Geschichte katapultieren. Die vollmundigen Wünsche, „grüne Volkspartei“ oder „Brückenpartei“ zu werden, sind verstummt.
Auch von dem Führungsanspruch, den man bei der ökologischen Transformation der Wirtschaft stellvertretend für die gesamte Gesellschaft einnehmen wollte, sprechen die Grünen nur noch selten. Das müsste nicht so sein, denn alle großen Themen der Grünen, etwa der Klimaschutz oder die Bekämpfung des Artensterbens, haben mit dem Überleben der Spezies Mensch zu tun. So erklärt sich auch der zeitweise Höhenflug der Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock 2021.
Beim derzeit wichtigsten Thema, der Flüchtlingspolitik, halten die Bürger die Grünen weder für kompetent noch lösungswillig. Schlimmer, sagen grüne Realos, könne man nicht in der Defensive sein. Allerdings sind das Image einer Partei und ihr tatsächliches Agieren unterschiedliche Dinge. In Zeiten, in denen Politiker dazu neigen, sachpolitische Debatten kulturkämpferisch aufzuladen, können die Menschen Sachentscheidung und Zerrbild gar nicht mehr unterscheiden, auch deshalb wächst in der Bevölkerung der Zorn auf die Grünen.