Diktator vom Bosporus“

Haftbefehl gegen Hamburger Rechtsanwalt wegen Erdogan-Beleidigung

Artikel von Erkan Pehlivan  FR

Die türkische Justiz erlässt einen Haftbefehl gegen den Hamburger Rechtsanwalt Mahmut Erdem - wegen Majestätsbeleidigung.

Hamburg - Auch in Deutschland sind die Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht sicher. Dazu zählen nicht nur Exilanten aus der Türkei, sondern auch Türkeistämmige wie der Hamburger Rechtsanwalt Mahmut Erdem. Gegen ihn hat die türkische Justiz Haftbefehl erlassen, weil der Jurist das türkische Staatsoberhaupt den „Diktator vom Bosporus“ nannte.

Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt der Jurist, dass ein Staatsanwalt mit der Gendarmerie zu seinem Elternhaus in der Türkei kam, um ihn wegen der Majestätsbeleidigung mitzunehmen. „Und ja, in der Türkei herrscht ein Ein-Mann-System“, erzählt Erdem und nennt die Regierungsform von Erdogan „Bonapartismus“.

 

 

 

Der Hamburger Rechtsanwalt Mahmut Erdem vertritt mehrere Mandanten, die ins Visier der türkischen Justiz geraten sind.

Der Hamburger Rechtsanwalt Mahmut Erdem vertritt mehrere Mandanten, die ins Visier der türkischen Justiz geraten sind. © privat

 

Türkei leugnet weiterhin Genozid am armenischen Volk

Es ist nicht das erste Mal, dass die türkische Regierung gegen den Hamburger vorgeht. Bereits 2015 hatte es ein Zerwürfnis mit Ankara gegeben. Damals wollte das türkische Generalkonsulat

eine Konferenz abhalten, in der der Genozid am armenischen Volk 100 Jahre zuvor relativiert werden sollte. Der Hamburger Rechtsanwalt konnte durch Protestaktionen die Hansestadt dazu bringen, dass die Veranstaltung im Völkerkundemuseum abgesagt wurde.

„Das hat mir die erste Strafanzeige in der Türkei gebracht. Darin sah der türkische Staat den Straftatbestand der ‚Beleidigung von Staatssymbolen‘.“ Die Türkei leugnet weiterhin den Völkermord von 1915, an dem rund 1,5 Millionen Menschen ermordet wurden.

Türkei geht wegen Majestätsbeleidigung gegen Menschen vor

Ein weiterer Grund für die Einschüchterungsversuche aus Ankara ist, dass der Rechtsanwalt zudem rund ein Dutzend Türkeistämmiger vertritt, die ebenfalls vom Erdogan-Regime verfolgt werden, darunter auch Journalisten. Sie hatten ebenfalls den türkischen Machthaber kritisiert und damit dessen Zorn auf sich gezogen. Klein beigeben will Erdem aber nicht: „Ich habe mich bislang nicht von Erdogan einschüchtern lassen und werde es auch weiterhin nicht“, so Erdem, der die Bundesregierung zum Handeln aufruft.

Kritik an Verhältnis der Bundesregierung zur Türkei

„Erdogan wird seine vorangegangene Politik fortsetzen. Es wird weiterhin die Meinungs- und Pressefreiheit unterdrückt. Ein fairer Prozess ist für viele nicht möglich. Die Bundesregierung muss daher aufhören, blauäugig zu sein“, empört sich Erdem. Seit 2015 kann der Jurist wegen politischer Verfolgung nicht in die Türkei. Der Rechtsanwalt erzählt, dass er auch nicht zu der Beerdigung seiner Mutter in der Türkei gehen konnte, die im Dezember 2021 verstorben war.

Doch die Blauäugigkeit der Bundesregierung dürfte weitergehen. Nach dem Sieg Erdogans bei der Türkei-Wahl hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem türkischen Präsidenten gratuliert. Die beiden Politiker hatten bei einem Telefonat vereinbart, „die Zusammenarbeit zwischen beiden Regierungen mit frischem Elan anzugehen“. (Erkan Pehlivan)