Warum ich froh bin, zu Hause nicht Deutsch gesprochen zu haben

23.11.2018,  Der Spiegelonline  bento

Selma Zoronjić

"Nur 1 von 103 Kindern spricht zu Hause deutsch" – so betitelte die "Bild"-Zeitung kürzlich ein Interview mit einer Schulleiterin aus Berlin-Neukölln. Unter den Erstklässlerinnen und Erstklässlern, die im Sommer an ihre Schule kamen, befinde sich "nur ein einziges Kind mit deutschen Eltern". 

Weiter heißt es, im ganzen Viertel finde man an zwei weiteren Schulen im Viertel unter 109 Erstklässlerinnen und Erstklässlern "ganze zwei Kinder, bei denen Deutsch Mutter- und Familiensprache" sei. (Bild

Das Interview erweckt den Eindruck, es wäre für Kinder schädlich, zu Hause ihre Muttersprache zu sprechen. 

Man könnte meinen, den Kindern würde etwas fehlen, wenn ihre Eltern zu Hause nicht deutsch sprechen. Aber ist es eigentlich nicht naheliegend, seinem Kind die Muttersprache beizubringen? Die beherrscht man in den meisten Fällen schließlich besser als jede andere Sprache.

Ich selbst lernte spielerisch Deutsch und meine Eltern unterstützten mich dabei.

Sie kamen mit Mitte 20 als Kriegsflüchtlinge nach Deutschland. Sie besuchten parallel zur Arbeit einen Deutschkurs. Verständigen können sie sich, aber ihr Deutsch ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Das ist auch in Ordnung, schließlich fällt es Menschen im zunehmenden Alter oft schwer, neue Sprachen zu lernen. 

Es wäre sogar unverantwortlich gewesen, wenn meine Eltern mir statt meiner Muttersprache Deutsch hätten beibringen wollen – denn es wäre ja ein fehlerhaftes Deutsch gewesen. 

Aber meine Eltern halfen mir dabei, die Sprache zu lernen. Sie stellten sicher, dass ich meine Hausaufgaben erledigte, kauften mir Bücher. Ich lernte Deutsch im Gespräch mit meinen Cousinen und Cousins, im Kindergarten – und eben auch durch Bücher und Zeichentrickfilme. Fast schon spielerisch. Irgendwann war es für mich selbstverständlich, zwei Sprachen zu sprechen. Zwei Muttersprachen

In der Grundschule überraschte ich meine Klassenlehrerin sogar mit meinem Wortschatz, als sie von der Klasse wissen wollte, was sich auf "Dose" reimt. "Hose, Rose, Aprikose und Mimose", antwortete ich damals. 

Wer etwas verändern will, sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Wir von Ørsted haben uns von unserem Gas- und Ölgeschäft getrennt und machen uns immer unabhängiger von fossilen Energieträgern. 2023 werden wir ohne Kohle auskommen und unsere CO2-Emissionen um 96 % gesenkt haben. Mit unseren Offshore-Windparks wollen wir eine Welt schaffen, die vollständig auf grüne Energie setzt. Zudem haben wir jede Menge Ideen, wie auch andere Unternehmen und Stadtwerke von der Energiewende profitieren können.

Das bilinguale Aufwachsen war kein Nachteil, sondern ein Vorteil.

Ich hatte nie den Eindruck, benachteiligt zu sein, weil ich mit meinen Eltern zu Hause nicht Deutsch sprach – ganz im Gegenteil: Ich gehörte in der Grundschule und auf dem Gymnasium in Deutsch immer zu den Klassenbesten, während einige Mitschülerinnen und Mitschüler "mit deutschen Eltern" das Halbjahr regelmäßig mit einer 5 auf dem Zeugnis beendeten. Bilingual aufzuwachsen weckte in mir sogar das Interesse an anderen Sprachen.

Dass meine Eltern eine richtige Entscheidung trafen, merke ich auch an meinem näheren Umfeld. Ich kenne Eltern, die mit ihren Kindern Deutsch sprechen und die Muttersprache nahezu vollständig ignorieren. Die logische Konsequenz: Die Kinder sprechen weder die eine noch die andere Sprache richtig – und schämen sich, wenn sie mit Oma und Opa skypen.

Natürlich gibt es berechtigte Sorgen von Lehrerinnen und Lehrern. Wenn sie sich nicht mit den Eltern der Kinder verständigen können, wenn es eben keine gemeinsame Vorstellung davon gibt, wie man die Schülerinnen und Schüler zum Sprache lernen motiviert.

Aber Aussagen wie die der Schulleiterin aus Neukölln sind gefährlich: Kindern das Gefühl zu geben, sie wären fehl am Platz, weil sie zu Hause nicht deutsch sprechen, ist der komplett falsche Ansatz.

Vielleicht ging es der "Bild"-Zeitung aber auch gar nicht um Sprache. Oder wäre die Aufregung genauso groß, wenn die Kinder in Neukölln zu Hause nicht Türkisch, Arabisch oder Kroatisch, sondern Französisch oder Englisch sprechen würden?