Internationaler Vergleich Der Pisa-Erfolg der anderen

Die Hälfte der Länder schneidet im Pisa-Test schlechter ab als zuvor. Doch einige trotzen dem Trend. Diese Faktoren können zum Erfolg führen.
Über die Pisa-Studie

Die Pisa-Studie erscheint alle drei Jahre. Die aktuelle Erhebung war pandemiebedingt um ein Jahr verschoben worden. In Pisa 2022 ging es nach 2003 und 2012 erneut schwerpunktmäßig um Mathematik. So wurden nicht nur die mathematischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler getestet, sondern auch ihre Emotionen, Motivation und Einstellung zum Fach.

In Stichproben wurden 15-Jährige aus 37 OECD-Staaten getestet. In Deutschland nahmen 6116 Jugendliche an 257 Schulen an den Pisa-Tests teil. Erhoben werden auch die soziale Herkunft und der Zuwanderungshintergrund der Jugendlichen. Für Mathematik wurden zwei Drittel der Aufgaben im Vergleich zu früheren Erhebungen neu entwickelt.

Dabei hatte die Regierung in Deutschland nach dem ersten Pisa-Schock 2001 gezeigt, dass sie in der Lage ist, gegenzusteuern. Bis 2012 verbesserte sich die Leistung der deutschen Schülerinnen und Schüler deutlich. Aber wenn man diese Bemühungen nicht aufrechterhalte, gerieten die Dinge ins Wanken, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher bei der Vorstellung der internationalen Ergebnisse in Paris, »das ist in Deutschland deutlich sichtbar«.

Die Bundesrepublik habe ein Problem, talentierte Leute für den Lehrerberuf zu begeistern. Das liege weniger an der Bezahlung, sondern vielmehr daran, dass der Job nicht attraktiv genug sei. Negativ wirke sich zudem aus, dass Deutschland bei der Digitalisierung sehr spät dran gewesen sei, so das Urteil. Dadurch sei das Land schlechter auf die Pandemie vorbereitet gewesen als Estland oder insbesondere die asiatischen Staaten.

Details zu den deutschen Ergebnissen lesen Sie hier: Fast ein Drittel der 15-Jährigen scheitert an einfachen Matheaufgaben. 

Worauf kommt es an? Schleicher analysiert, welche Faktoren ein Bildungssystem resilient machen: Damit meint er die Fähigkeit eines Landes, Lernfortschritte, Bildungsgerechtigkeit und Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler zu erhalten und zu fördern.

Persönliche Unterstützung wichtig

Beispiel Chancengerechtigkeit: In Dänemark, Finnland, Hongkong (China), Irland, Japan, Kanada, Korea, Lettland, Macao (China) und im Vereinigten Königreich habe ein großer Teil der 15-Jährigen die Grundkompetenzen erreicht, »während zugleich ein hohes Maß an sozioökonomischer Fairness gewährleistet war«, teilte die OECD mit. In Deutschland liege der Anteil der mathematischen Kompetenz, der durch den Status der Eltern erklärt werden könne, hingegen über dem OECD-Schnitt, heißt es in der Studie.

 Schleicher hob bei der Vorstellung der Ergebnisse zudem hervor, wie sich persönliche Unterstützung auf die Leistung der Schüler auswirke. So gebe es in den OECD-Ländern einen starken Zusammenhang zwischen der Erreichbarkeit der Lehrkräfte für Hilfestellungen und den durchschnittlichen Mathematikleistungen. Schüler, die ihre Lehrkräfte als Unterstützung wahrnahmen, waren demnach auch zuversichtlicher, unabhängig von zu Hause aus lernen zu können.
Eltern müssen Fragen stellen

»Wie war es in der Schule?«, sei eine Frage, die Eltern viel häufiger stellen sollten, sagte Schleicher. Denn auch das Interesse und die Unterstützung aus dem Elternhaus wirke sich positiv auf die Leistungen aus. Allerdings habe die Beteiligung der Eltern am schulischen Lernen ihrer Kinder in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen.

Eine Ausnahme bildeten Macau (China), Mexiko und Rumänien, heißt es in der Studie. In einigen anderen Ländern gingen die Lehrkräfte wiederum vermehrt auf Eltern zu, doch das Gesamtbild gebe Anlass zur Sorge. »Eltern dürfen nicht dem Irrglauben verfallen, die Bildung ihrer Kinder sei ausschließlich Sache der Lehrkräfte«, sagte Schleicher. Eine Förderung der Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule komme den Kindern zugute.

Schulen sollten sich zudem des Wohlbefindens der Kinder und Jugendlichen annehmen. Durchschnittlich 16 Prozent der befragten 15-Jährigen litten demnach unter Einsamkeit. In den Niederlanden und Korea sei das nur bei neun Prozent der Teenager der Fall. »Mit Blick auf die Zukunft sollten die Lehrkräfte die Kinder ermutigen, über Einsamkeit zu sprechen, um das damit verbundene Stigma abzubauen«, rät Schleicher.

Selbst Länder, die bei Pisa gut abschneiden, haben noch Nachholbedarf bei der psychischen Gesundheit der Kinder. In Singapur berichteten etwa sehr viele Befragte von großen Versagensängsten und geringer Beteiligung an außerschulischen Aktivitäten wie Sport. Im Gegensatz etwa zu Spanien und Peru mit niedrigeren durchschnittlichen Pisa-Testergebnissen.

Das zeigt, wie komplex die Lage ist, ein Zaubermittel für gesellschaftlichen Bildungserfolg gibt es nicht. Immerhin knapp die Hälfte der teilnehmenden Länder trotzten dem Trend: Sie konnten das Pisa-Ergebnis von 2018 halten oder sich sogar verbessern, etwa Saudi-Arabien, Kambodscha und Paraguay. »Viele der Bildungssysteme mit stabilen Leistungen blieben jedoch relativ leistungsschwach«, verdienten aber Anerkennung für die Verbesserung, erläutert Schleicher im zweiten Band der Pisa-Studie 

, in dem die Daten interpretiert werden.

Interessant sind auch die Auswirkungen des Smartphones. Die Pisa-Studie zeigt, dass sich eine moderate Nutzung digitaler Geräte positiv auf die Schülerleistungen auswirken kann, allerdings gilt es dafür, die Technologie lernunterstützend einzusetzen und Ablenkungen zu vermeiden. Wer lange zum Zeitvertreib am Handy hänge, bringe schlechtere Leistungen: Schüler, die ihre digitalen Geräte in der Freizeit maximal eine Stunde täglich nutzen, haben demnach in Mathematik 49 Punkte mehr als solche, die das fünf bis sieben Stunden pro Tag tun