»Bildungswende jetzt!«: Demonstranten fordern Bildungsgipfel und 100 Milliarden Sondervermögen

Artikel von Silke Fokken -Der Spiegel

 

Kinder werden nach Hause geschickt, weil in Kitas und Schulen Personal fehlt: Gegen Missstände im Bildungswesen versammelten sich am Samstag Tausende Menschen in fast 30 Städten zum Protest.

 

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»Bildungswende jetzt!«: Demonstranten fordern Bildungsgipfel und 100 Milliarden Sondervermögen

Bildungswende jetzt!«: Demonstranten fordern Bildungsgipfel und 100 Milliarden Sondervermögen © Fabian Sommer / dpa

 

Unter dem Motto »Bildungswende jetzt!« haben nach Angaben der Veranstalter bundesweit rund 20.000 Menschen gegen Missstände in Kitas und Schulen protestiert und die Politik zum Handeln aufgefordert. Konkrete Forderungen richteten sich – trotz Bildungsföderalismus – an Kanzler Olaf Scholz (SPD)

»Wir haben eine bundesweite Bildungskrise«, sagte Philipp Dehne, Sprecher der Initiative »Schule muss anders«, die mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zu den Organisatoren gehört. »Deshalb sehen wir den Kanzler in der Verantwortung.« Unter anderem an Scholz richtet sich die Forderung, einen Bildungsgipfel einzuberufen.

Zu dem Protesttag am Samstag hatte ein Bündnis von rund 180 Organisationen aufgerufen, darunter Eltern- und Schülervertretungen. Zu den Kernforderungen gehört ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Bildung – analog zum Sondervermögen für die Bundeswehr, das Scholz kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zugesagt hatte.

In fast 30 Städten gab es den Angaben zufolge am Samstag kleinere und größere Aktionen. In Hamburg demonstrierten laut Polizei rund 500 Menschen. Mit Schildern und Bannern mit Aufschriften wie »Erziehung & Bildung sind keine Ware«, »Für die Kinder nur das Beste« oder »No clever brains – no future« zogen sie durch die Stadt.

In Berlin versammelten sich den Veranstaltern zufolge rund 7000 Menschen bei einer Kundgebung, in München etwa 2000, in Köln etwa 3500. Die Polizei ging von etwas niedrigeren Zahlen aus. »Wir sehen seit Jahren, dass der Bildungssektor vor die Wand gefahren wird und keiner tut was. Also gehen wir auf die Straße«, sagte Christian Bickmann, Vorsitzender der Landeselternkonferenz Nordrhein-Westfalen, im WDR.

Schon seit mehreren Jahren seien die steigenden Schülerzahlen absehbar gewesen, so Bickmann. »Jetzt platzen die Klassen aus allen Nähten. Die Lehrerversorgung ist nicht sichergestellt. Der Unterrichtsausfall wird von jeder Schule beklagt.« Die SPD in NRW nahm den Protesttag zum Anlass, Landesregierung, Bund und kommunale Akteure zur Zusammenarbeit aufzurufen.

Um die »Bildungskatastrophe« in Nordrhein-Westfalen zu bekämpfen, brauche es eine gemeinsame Kraftanstrengung »jenseits der parteipolitischen Kalküle«, hieß es einer gemeinsamen Mitteilung von NRW-SPD sowie sozialdemokratischen Mandatsträgern in Bund, Land und Kommunen. Sie fordern unter anderem ein Rettungspaket für die unterfinanzierten Kitas sowie eine Landes-Investitionsförderung zur Modernisierung von Schulen.

Nirgendwo hat die Bildungskatastrophe ein solches Ausmaß wie hier«, sagte der nordrhein-westfälische SPD-Fraktionschef Jochen Ott. Die Landesregierung habe die Dimension des Problems bis heute nicht erfasst. Unter anderem müsse der Lehrerberuf mit neuen Arbeitszeitmodellen attraktiver gestaltet werden.

NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) meldete sich in der Zeitung »Rheinischen Post« mit einem Gastbeitrag zu Wort: Sie betonte ihr Verständnis für viele Forderungen, die bei den Protesten artikuliert würden. »Zu viel hat sich in den vergangenen Jahren aufgetürmt. Aber wir packen es jetzt beherzt an«, schrieb sie. So wird laut Feller der Schuletat im Haushalt des kommenden Jahres trotz schwieriger wirtschaftlicher Lage um 354 Millionen Euro wachsen. Es brauche aber auch weitere Unterstützung durch den Bund, etwa beim zweiten Digitalpakt.