Brennende Schulen in Belgien: Protest gegen Sexualkunde-Programm

Artikel von Charlotte Lüder-Der Spiegel

 

In der belgischen Region Wallonien ist bereits die sechste Schule in Brand gesteckt worden. Behörden vermuten, dass sie Anschläge mit dem Protest gegen ein Sexualerziehungs-Programm für Kinder zusammenhängen

Brennende Schulen in Belgien: Protest gegen Sexualkunde-Programm

Brennende Schulen in Belgien: Protest gegen Sexualkunde-Programm © ERIC LALMAND / AFP

Nach einer Reihe von Brandanschlägen auf belgische Schulen will Premierminister Alexander De Croo nun die Hilfe von Regierungsexperten für Extremismus in Anspruch nehmen. Die Behörden gehen davon aus, dass die Anschläge mit einem umstrittenen Sexualkunde-Schulprogramm zusammenhängen.

De Croo äußerte sich nur wenige Stunden, nachdem diese Woche eine sechste Schule in der französischsprachigen Region Wallonien in Brand gesteckt worden war. Nach Angaben der Behörden wurden in einigen der Schulen Protestschilder gegen das sogenannte Evras-Programm entdeckt.

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Bei dem Programm handelt es sich um einen obligatorischen vierstündigen Unterricht für Schüler im Alter von 11 bis 12 und 15 bis 16 Jahren, der ihnen helfen soll, ihr Beziehungs- und Sexualleben zu entwickeln. Das Programm gibt es schon seit Jahren und ist für alle Altersgruppen verfügbar, war aber bisher nicht verpflichtend. In diesem Jahr müssen rund 100.000 Schüler in der Föderation Wallonien-Brüssel an den beiden Schulungen teilnehmen, die insgesamt vier Stunden dauern.

Muslimische Vereinigungen fürchten »Hypersexualisierung« von Kindern

»In einer Demokratie wie der unseren werden wir niemals zulassen, dass unsere Schulen zur Zielscheibe werden«, sagte De Croo. »Wir leben in einem Land der Toleranz, und Toleranz bedeutet, dass wir eine Debatte führen und unterschiedliche Standpunkte vertreten können, aber das darf niemals zu Gewalt führen, insbesondere nicht an Orten, die von unseren Kindern besucht werden.«

Auch Innenministerin Annelies Verlinden rief dazu auf, die Angriffe zu stoppen. »Wir fassen unsere Schulen nicht an«, sagte Verlinden während einer Pressekonferenz mit De Croo. »Das ist eine rote Linie.«

De Croo sagte, er habe die für die Verarbeitung von Informationen über »Terror, Extremismus und Radikalisierung« zuständige Stelle gebeten, die Situation zu analysieren, und Verlinden sagte, sie habe die Bundespolizei gebeten, die lokalen Kräfte in der betroffenen Region zu unterstützen.

Niemand hat sich bisher zu den Bränden an den sechs Schulen bekannt, und es wurden auch keine Verdächtigen festgenommen. Auch in Brüssel wurden Proteste organisiert, an denen einige hundert Menschen teilnahmen. Mehrere muslimische Vereinigungen haben das Programm in einer gemeinsamen Erklärung verurteilt und behaupten, dass es die »Hypersexualisierung« von Kindern fördert.

De Croo sagte, dass Sexualerziehung in Belgien bereits seit einem halben Jahrhundert angeboten wird und warnte, dass das Land keine Rückschritte machen wird. »Das ist nicht neu, es ist die Grundlage für sexuelle Gesundheit, aber auch die Grundlage dafür, dass unsere Kinder sich ihrer Rechte und ihrer (körperlichen) Unversehrtheit bewusst sind«, fügte er hinzu.

»Ich möchte alle dazu aufrufen, sich zu beruhigen und noch einmal zu versuchen, die Lügen über das Evras-System zu entkräften«, sagte die Bildungsministerin der Föderation Wallonie-Brüssel, Caroline Desir. »Nein, es bereitet kein pädophiles System vor. Nein, es hat nicht vor, Kinder dazu zu bringen, das Geschlecht zu wechseln. Nein, es hat nicht vor, Kindern beizubringen, wie man sexuelle Handlungen vornimmt.«

Weitere Schulen wurden verwüstet

Die Staatsanwaltschaft der Stadt Charleroi, sagte Medien, die Untersuchung habe bisher keine Verbindung zwischen den sechs Brandstiftungen ergeben. Der Bürgermeister der Stadt, Paul Magnette, verglich die Brandstiftungen mit einer »Form des Terrorismus«.

Lokalen Medien zufolge wurden zwei weitere Schulen in der Stadt Lüttich, ebenfalls in Wallonien, verwüstet.