GEW fordert als Konsequenz aus der aktuellen Schulabbrecher-Studie: „Schluss mit dem viergliedrigen Schulsystem“

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MÜNCHEN. Rund 50.000 Jugendliche verlassen bundesweit jedes Jahr ohne Abschluss die Schule – jedes Jahr, wie eine Anfang der Woche veröffentlichte Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung aufgezeigt hat (News4teachers berichtete). „Das ist eine erschreckende Zahl. Betroffen sind vor allem Jugendliche der Förder- und Mittelschulen. Wir fordern ein Umdenken in der Politik. Wir brauchen gemeinsames Lernen in inklusiven Schulen und von Anfang an bessere Bedingungen für alle Kinder“, sagt Martina Borgendale, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern. Auch im Freistaat gebe es keine positive Entwicklung. 

Die Zahl der Schulabbrecher ist seit Jahren konstant hoch – obwohl die Wirtschaft über einen massiven Fachkräftemangel klagt. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Mit dem englischsprachigen Akronym „Not in Education, Employment oder Training – NEET“ werden junge Menschen bezeichnet, die weder eine Arbeit haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren. Obwohl Tausende Lehrstellen unbesetzt sind, gibt es in Deutschland laut Bertelsmann Stiftung 630.000 Jugendliche, denen der Übergang von Schule in Beruf nicht gelingt. Diese Zahl verringert sich nicht, das belegt die aktuelle Studie „Jugendliche ohne Hauptschulabschluss“. 6,2 Prozent aller Jugendlichen verfehlten 2021 in Deutschland den Hauptschulabschluss. Zwei Drittel der jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss zwischen 20 und 34 Jahren bleiben auch ohne Berufsausbildung.

Bayern hat zwar mir rund fünf Prozent eine der niedrigsten Quoten in Deutschland (im Schlusslicht Bremen liegt sie bei zehn Prozent), dennoch verließen auch im Freistaat im Berichtsjahr 2021 insgesamt 6.154 junge Menschen das bayerische Schulsystem ohne Abschluss. Besonders gefährdet sind Jungen und Mädchen mit nicht deutscher Staatsbürgerschaft.

„Wir beklagen überall einen massiven Fachkräftemangel, erlauben es uns aber, Jugendlichen ohne Perspektive aus unserem Bildungssystem zu entlassen. Das viergliedrige Schulsystem versagt hinsichtlich Bildungsgerechtigkeit auf ganzer Linie. Wer keine Unterstützung durchs Elternhaus bekommt, verliert. Es gelingt uns nicht, Bedingungen zu schaffen, in denen sich alle Kinder gut entwickeln können. Aber genau das ist die Aufgabe“, kritisiert Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender der GEW Bayern.

„Die Hardtschule oder die Alemannenschule in Baden-Württemberg sind tolle Beispiele für Schulen, in denen Kinder bis zum Abschluss gemeinsam lernen und die deutsche Schulpreise gewonnen haben. Warum orientieren wir uns nicht endlich an diesen Schulen? Schluss mit Selektion nach der vierten Klasse, Schluss mit der Benachteiligung ganzer Bevölkerungsschichten, Schluss mit schlechten Arbeitsbedingungen. Wir brauchen gute Lernbedingungen für alle Kinder, und die besten für diejenigen, die kaum auf sonstige Ressourcen zurückgreifen können“, fordert Kohl.

Auch Bildungsforscher Prof. em. Klaus Klemm ist laut dem Informationsdienst „Bildung.Table“ dieser Meinung: „Es braucht mehr gemeinsamen Unterricht im inklusiven Schulsystem und allgemeinbildende Schulen müssen dann auch besser ausgestattet werden“, so wird Klemm zitiert.

GEW-Landeschefin Martina Borgendale freut sich, dass der Bildungsökonom die Forderungen der GEW bestätigt. „Wir sprechen uns seit Jahren für ein inklusives Schulsystem als Schule der Zukunft aus, in dem alle Kinder gleichberechtigt und ihren Bedürfnissen entsprechend lernen können und das attraktive Arbeitsbedingungen für multiprofessionelle Teams bietet. Das Konzept für eine entsprechende Änderung der Lehrkräftebildung haben wir ebenfalls vorgelegt. Also packen wir‘s an!“ News4teachers