Hinrichtung“: Lebenslang für Doppelmord von Espelkamp
Schüsse im Haus, dann auf der Straße. Eine Frau schreit um Hilfe. Vor dem Landgericht Bielefeld ging es am Mittwoch um den Doppelmord von Espelkamp im Sommer 2021. Der Vorsitzende Richter schilderte die Tat wie eine Hinrichtung.
Hinrichtung, Rache, Doppelmord und eine Motivlage, für die jedes menschliche Verständnis fehle. Georg Zimmermann, Vorsitzender Richter am Landgericht Bielefeld, sparte in seiner Urteilsbegründung nicht mit drastischen Worten. Gerade hatte er das Urteil im Doppelmord von Espelkamp verkündet: Lebenslang für den 53-jährigen Angeklagten.
Aber dabei blieb es nicht. Zimmermann stellte auch noch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit wäre eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis ist das aber so gut wie ausgeschlossen. Dafür aber sei nicht die Zahl der Morde entscheidend, erläuterte er.
Strafe für Wunsch nach Unabhängigkeit?
Bei der Bewertung gehe es um die Art der Taten. „Sie haben ihre Frau für den Wunsch bestraft, unabhängig zu sein. Und zwar berechnend, gut vorbereitet und mit einer Hinrichtung auf offener Straße“, sagte Zimmermann in Richtung des gerade Verurteilten.
Der schmächtig wirkende Mann in Jeans, blauem Pulli und dunkler Jacke hatte das Urteil zuvor regungslos aufgenommen. Bundesweit hatte die Tat für Aufsehen gesorgt, weil der 53-Jährige im Juni 2021 zuerst seinen Schwager und dann seine flüchtende Frau auf der Straße mit mehreren Schüssen getötet hatte.
Verzweiflung statt Habgier
Anschließend fahndete ein großes Polizeiaufgebot nach dem Mann. Spezialkräfte nahmen ihn am Abend an einem See in der Nähe von Diepenau in Niedersachsen fest. Der Mann mit türkischer Staatsbürgerschaft hatte zum Prozessauftakt die Taten eingestanden. Sie seien im Juni 2021 aber nicht aus Habgier geschehen, sondern aus Verzweiflung.
Im Lauf des Verfahrens war die Staatsanwaltschaft allerdings vom finanziellen Motiv selbst abgerückt. Am Ende lautete der Vorwurf Mord aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen. Dem schloss sich das Landgericht an. Die vom Verteidiger zum Prozessauftakt verlesene Erklärung zum Geschehen sei widerlegt worden.
Ehe ging 2015 in die Brüche
„Das waren taktische Formulierungen mit wenig Überzeugungskraft“, sagte Zimmermann. Die Ehe der beiden hatte schon vor Jahren einen schweren Knacks bekommen. Der 53-Jährige hatte eine Affäre, dann rauften sich die beiden wieder zusammen. Auch, nachdem er mit einem Suizid gedroht hatte. 2015 war die Ehe endgültig zerbrochen.
Die 51-Jährige hatte sich in einen Mann in Istanbul verliebt. Sie zog von Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen in das Haus in Espelkamp. Ihr Mann aber wollte das nicht akzeptieren. Er stalkte sie immer wieder, suchte das Gespräch, einmal musste die Polizei eingreifen.
Hinterhalt, zahlreiche Blutspuren, Mord
Anders als vom 53-Jährigen geschildert, war die Tat im Sommer 2021 nach Überzeugung des Gerichts aber nicht aus dem Ruder gelaufen. Er habe eine Stunde lang mit Hilfe eines Nachschlüssels im Haus auf seine Frau gewartet und einen Hinterhalt vorbereitet. Das habe die Auswertung der Handydaten ergeben.
Auch die zahlreichen Blutspuren im Haus – zum Beispiel hinter einer Tür – zeige einen anderen Tatverlauf auf als behauptet. „Und Sie hätten ihren Schwager nicht töten müssen, um den Mord an ihrer Frau zu ermöglichen. Er war ja nach dem ersten Schuss bereits verletzt“, begründete Zimmermann den Vorwurf Mord aus Heimtücke.
Dass bei den Schüssen auf die Ehefrau nicht noch ein Unbeteiligter getroffen wurde, sei purer Zufall gewesen. Die 51-Jährige war auf die Straße geflüchtet und hatte bei Nachbarn geklingelt und um Hilfe geschrien. Eine Frau wollte gerade ihre Tür öffnen, als die Schüsse fielen.
Himmel und Hölle
Wie uneinsichtig er sei, habe er noch in seinem letzten Worten am vorletzten Prozesstag geäußert, als er den Opfern im Beisein der erwachsenen Kindern, die als Nebenkläger auftraten, noch die Verantwortung zuschob, wie Zimmermann sagte.
Direkt nach der Tat hatte er gegenüber Freunden und Verwandten am Telefon geäußert, dass er in den Himmel und die Opfer in die Hölle kämen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilte kann eine Überprüfung (Revision) durch den Bundesgerichtshof in Karlsruhe beantragen.
dpa/dtj