Scholz in der Türkei: Der Krieg schweißt zusammen

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Bundeskanzler Olaf Scholz (l.) neben dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan: Hauptthema in den Gesprächen während seines Antrittsbesuches war der Krieg in der Ukraine. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei gelten als schwierig, auch wenn sie sich zuletzt wieder stabilisiert haben. Der Ukraine-Krieg schweißt beide Seiten nun zusammen. Das wird beim Antrittsbesuch von Kanzler Scholz in Ankara deutlich.

Nach zweieinhalb Wochen Krieg in der Ukraine haben sich Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gemeinsam für einen baldigen Waffenstillstand stark gemacht. „Wir sind uns einig, dass es so schnell wie möglich einen Waffenstillstand geben muss“, sagte Scholz am Montag nach einem Gespräch mit Erdoğan.

Es müsse sofort sichere Korridore für Zivilisten geben. Erdoğan betonte: „Wir werden die Bemühungen um einen dauerhaften Waffenstillstand unentwegt fortsetzen.“ Man stimme überein, dass die diplomatischen Bemühungen fortgesetzt werden müssten. Gemeinsam appellierten Scholz und Erdoğan an Wladimir Putin, den Krieg in der Ukraine zu stoppen.

Militärische Ehren für Scholz

„Mit jedem Tag, mit jeder Bombe entfernt sich Russland mehr aus dem Kreis der Weltgemeinschaft, die wir miteinander bilden.“ Die Souveränität und die Unverletzlichkeit der Grenzen der Ukraine stünden außer Frage. Scholz besuchte zum Auftakt seines Antrittsbesuchs in der Türkei das Mausoleum des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk und wurde dann von Erdoğan mit militärischen Ehren empfangen.

Der Besuch stand ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine, in dem sich die Türkei als Vermittler angeboten hat. Das Nato-Land hat enge Beziehungen zu Kiew und Moskau. Erdoğan hat immer wieder betont, keinen der beiden Partner aufgeben zu wollen. Er hat Russland und die Ukraine vergangene Woche erstmals seit Kriegsbeginn auf Außenministerebene an einen Tisch gebracht.

Bundeskanzler würdigt Gespräche mit Griechenland und Israel

Am Donnerstag waren die Chefdiplomaten Dmytro Kuleba und Sergej Lawrow im südtürkischen Badeort Antalya zusammengekommen. Die Gespräche blieben zwar weitgehend ergebnislos. Dass sie überhaupt stattfanden, wurde aber nicht nur von der Türkei selbst, sondern auch von westlichen Verbündeten als diplomatischer Erfolg gewertet.

Scholz würdigte, dass die Türkei im Zuge der Ukraine-Krise auch wieder enger mit Ländern zusammenrücke, mit denen sie schwierige Beziehungen hat – namentlich Griechenland und Israel. Am Sonntag reiste der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis erstmals zu einem Treffen mit Erdoğan nach Istanbul.

„Differenzen, Belastungen“ bei Menschenrechten

Für Scholz ist die Reise in die Türkei der fünfte Antrittsbesuch in einem Land außerhalb der Europäischen Union seit seiner Vereidigung vor gut drei Monaten. Zuvor war er in den USA, in der Ukraine, in Russland und in Israel. Neben dem Ukraine-Krieg gab es für bilaterale Themen zwar nur begrenzten Raum.

Es ging aber auch um die Wirtschaftsbeziehungen, den für die Türkei so wichtigen Tourismus und um den Ausbau der Zusammenarbeit bei der Energieversorgung. Scholz sprach jedoch auch die Konfliktthemen in den Beziehungen an. Es gebe „Differenzen, Belastungen, etwa wenn es um Fragen von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit geht“.

Gespräche in „aufrichtiger Atmosphäre“

Scholz erwähnte auch die Deutschen, die in der Türkei inhaftiert oder mit Hausarrest belegt sind oder die nicht ausreisen können. „Hier hat es in letzter Zeit ein paar Bewegungen gegeben. Wir hoffen, dass es für viele Fälle eine baldige Lösung geben wird.“ Erdoğan wiederum ignorierte die Frage nach den Menschenrechten und zeigte sich zufrieden.

Das Gespräch mit Scholz habe in einer „aufrichtigen Atmosphäre“ stattgefunden, sagte er. Er hob die engen Verbindungen zwischen den Ländern hervor und betonte, der Türkei sei wichtig, in regionalen Fragen eng mit Deutschland zusammenzuarbeiten.

Kavala, politische Gefangene und Migration: Konflikte bleiben

Die deutsch-türkischen Beziehungen haben sich nach einem tiefen Zerwürfnis 2017, zu dem es unter anderem wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger kam, zuletzt wieder etwas stabilisiert. Das Verhältnis der beiden Nato-Partner ist aber weiterhin alles andere als spannungsfrei.

Zuletzt kam es im Oktober 2021 zu einem Eklat, als der deutsche und neun weiteren Botschafter die Freilassung des inhaftierten Kulturförderers Osman Kavala forderten. Erdoğan drohte den Diplomaten daraufhin mit der Ausweisung.

Deutschland und die EU sind etwa über das Flüchtlingsabkommen von 2016 auf Ankara als Partner angewiesen. Aus Sicht von Kritikern geht das auf Kosten der Thematisierung von Menschenrechtsverstößen im Land.

dpa/dtj