Beitritt EU-Parlament stimmt für Verhandlungen mit Türkei

 

DPA und Spiegel Online

Das Europäische Parlament hat sich für die umgehende Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen. Die Abgeordneten stellten aber eine Reihe von Bedingungen. Die Resolution ist nicht bindend für die EU-Staats- und Regierungschefs, die ab morgen über den Beitritt beraten und entscheiden werden.

EU-Parlament in Straßburg: Die niederlänidische Abgeordnete Kathalijne Buitenweg zeigt offen ihre Präferenz

Straßburg - Die christdemokratischen Gegner von Beitrittsgesprächen erlitten im EU-Parlament eine Niederlage: Obwohl sie gegen den Widerstand von Linken, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen eine geheime Abstimmung durchsetzten, stimmten nur 262 Abgeordnete gegen Verhandlungen ohne weitere Verzögerung, 407 stimmten dafür. Die Zustimmung des Parlaments ist zwar nicht erforderlich, könnte der in der EU-Bevölkerung umstrittenen Entscheidung aber zusätzliche Legitimität verschaffen.

Die Abstimmung hat zudem Signalwirkung auf den Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, der morgen Abend beginnen wird. Bei dem Treffen soll über die Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei entschieden werden.

In der Resolution verlangten die Abgeordneten die Aufnahme der Verhandlungen "ohne unnötige Verzögerungen". Zugleich forderte das Parlament von der Türkei die Fortsetzung der Reformen und ein Signal hin zur Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern. Die Regierung in Ankara müsse eine "Null-Toleranz"-Haltung gegenüber Folter einnehmen.

Ziel der Verhandlungen mit der EU müsse aber der Beitritt des Landes sein. Einen dritten Weg im Falle eines Scheiterns der Gespräche nennt das Parlament nicht. Entsprechende Änderungsanträge waren zuvor abgelehnt worden.

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Die Abgeordneten forderten die Türkei auf, die kurdische Minderheit und den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. "Dabei handelt es sich aber nicht um neue Vorbedingungen für die Aufnahme von Verhandlungen", sagte Parlamentspräsident Josep Borrell.

Der konservative niederländische Berichterstatter Camiel Eurlings stellte klar: "Die Kriterien für die Mitgliedschaft sind noch nicht erfüllt." Nach seinem Bericht ist das Ziel der Verhandlungen zwar die Vollmitgliedschaft. Der Beitrittsprozess sei aber kein Automatismus. So müsse die Türkei die Republik Zypern anerkennen.

Aus Sicht der Bundesregierung wird es im EU-Gipfel-Beschluss über die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei keine Sonderoptionen geben. "Den Begriff privilegierte Partnerschaft werden Sie im Abschlussdokument nicht finden", sagten hohe Regierungsbeamte in Berlin. Danach werden die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel nur noch nach Formulierungen für das Abschlussdokument suchen, die den "Prozesscharakter" der Gespräche unterstreichen.

Der EU-Gipfel werde die Gespräche wohl beschließen, sagte der niederländische Regierungschef und EU-Gipfelvorsitzende Jan Peter Balkenende heute im niederländischen Parlament in Amsterdam. "Auf Grundlage meiner Gespräche rechne ich mit einer Zustimmung, aber wir brauchen eine einstimmige Entscheidung", sagte Balkenende.

Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso forderte die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) zum Start von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf. Der EU-Gipfel müsse die türkischen Anstrengungen belohnen und Verhandlungen beschließen, sagte Barroso im Europaparlament. "Es sollte ein klares Datum vorgesehen werden."

Barroso bekräftigte die Haltung der Kommission, wonach die Verhandlungen ergebnisoffen seien und auch die Dauer nicht vorab festgesetzt werden könne. Diplomaten erwarten einen Verhandlungsbeginn im Oktober oder November.

Während der Beginn von Verhandlungen als sicher gilt, wird an der politisch sensiblen Festlegung des Verhandlungsziels noch gefeilt. Diplomaten erwarten, dass der Gipfel sich wie die Kommission für ergebnisoffene Gespräche ausspricht. Für den Fall des Scheiterns dürfte er weiter eine enge Bindung der Türkei an die europäischen Strukturen festlegen. Konservative und Christdemokraten wie die deutsche CDU/CSU dringen darauf, auch eine klare Alternative zu einem Beitritt vorzugeben, was die Türkei mit deutscher und britischer Hilfe ablehnt.

Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der die Position der konservativen Regierungen koordinieren soll, äußerte sich in Wien zurückhaltend. Er sei für Verhandlungen, sagte er. Allerdings sei die Türkei ein Sonderfall. Deshalb sei ein besonderer Ansatz nötig, der deshalb auch zu einem besonderen Ziel führen werde. Schüssel forderte etwa Ausnahmen von der Freizügigkeit für Türken, um den Arbeitsmarkt in anderen EU-Staaten zu schützen.