Die kapitalistische Moderne befindet sich derzeit im Dritten Weltkrieg.

    Von Nav-Dem Hannover

 

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 Das Zentrum dieses Dritten Weltkriegs liegt im Nahen Osten, und weil dort – insbesondere durch den Widerstand in Kurdistan – keine entscheidenden Ergebnisse erzielt werden können, wird der Krieg auch auf unterschiedliche Weise zwischen den Nationalstaaten sowie innerhalb der Nationalstaaten geführt. Dies ist jedoch nur eine Ebene des Dritten Weltkriegs, die sich auf die Gesellschaft und alles Leben auswirkt.

Eine weitere Ebene ist, dass die kapitalistische Moderne mit all ihren Nationalstaaten unsere Lebensgrundlagen systematisch zerstört. Sie macht den Planeten mittelfristig unbewohnbar und bedroht damit jegliches Leben mit Vernichtung. Derzeit gibt es kaum einen ernstzunehmenden Widerstand, der dieses Problem ganzheitlich angeht und die Überwindung der kapitalistischen Moderne anstrebt. Eine dieser wenigen ganzheitlichen Widerstandsbewegungen ist die Freiheitsbewegung Kurdistans. Unter der Führung von Abdullah Öcalan und durch seine Ideen, seine Philosophie sowie seine ganzheitliche Analyse der Moderne hat Öcalan in den Gesellschaften Kurdistans, im Nahen Osten und weltweit Veränderungen angestoßen.

Dass weltweit Menschen diesen Ideen eine Chance geben möchten, zeigt, dass Öcalans Vorschlag einer basisdemokratischen, ökologischen und frauenbefreiten Gesellschaft zu einem Hoffnungsschimmer, zu einem Lichtblick geworden ist. Durch die Revolution von Rojava und heute die demokratische Autonomie Nord- und Ostsyriens ist diese Hoffnung Realität. Mitten im Dritten Weltkrieg wird eine andere Welt, ein anderes Leben, eine andere Gesellschaft aufgebaut – trotz völkerrechtswidriger militärischer Angriffe von Außen z.B. auch durch den NATO-Staat Türkei.

In den letzten Wochen häufen sich erneut Berichte über den Einsatz international geächteter Waffen in den freien Bergen Kurdistans. Der NATO-Partner der BRD setzt gegen die Guerilla, aber auch gegen die Dorfbewohner:innen international geächtete Waffen wie thermobarische, taktisch-nukleare und Chemiewaffen ein. Und dies in einer Phase, in der die Befreiungsbewegung Kurdistans – allen voran Abdullah Öcalan – die Auflösung der PKK eingeleitet, einen einseitigen Waffenstillstand verkündet und den Weg für Frieden und eine demokratische Gesellschaft geöffnet hat. Doch stattdessen wurde unsere wertvolle Genossin und Weggefährtin Kelly Freygang und dutzende weiterer Freund:innen durch diese Politik und mit deutscher Unterstützung getötet. Wasser wird als Waffe durch Einsatz von Staudämmen genutzt. Mit diesen Waffen werden nicht nur die Guerilla oder die Bevölkerung angegriffen, sondern auch die gesamte Natur irreparabel beschädigt. Auf dem fruchtbaren Boden Kurdistans werden jegliches Leben und alle Lebensgrundlagen für Menschen, Tiere und Natur zerstört. Es ist übrigens die Region, in der unsere Zivilisation ihren Ursprung hat, wo die ersten Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens entstanden.

Deshalb können wir unsere Augen nicht länger verschließen: Der Dritte Weltkrieg ist diplomatisch, militärisch und gesellschaftlich in vollem Gange. Dies müssen wir zum Anlass nehmen, die Kräfte der kapitalistischen Moderne dort zu treffen, wo sie ihren Halt und ihre Standbeine hat. Dass sie mit ihrer Politik im Nahen Osten und darüber hinaus in der Welt Terror verbreiten, ist kein Geheimnis mehr. Sind wir bereit, Widerstand zu leisten? Sind wir bereit, die Standbeine dieses Systems anzugreifen? Diese Fragen hängen davon ab, welches Bewusstsein wir in unseren Kämpfen entwickeln.

Denn es ist jenes Europa, das seine Maske fallen gelassen und der Demokratie eine Absage erteilt hat. Es ist jenes Europa, das das Imrali-Isolationssystem geschaffen hat und dafür verantwortlich ist, dass Abdullah Öcalan über vier Jahren in Totalisolation und seit mehr als 26 Jahren ohne Menschenrechte illegal als politische Geisel gefangen gehalten wird. Es ist jenes Europa, das mit seinem Anti-Folter-Komitee angeblich Folter verhindern will – doch wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass keine seiner Institutionen die grundlegendsten Menschenrechte einhält oder durchsetzen kann. Wir sprechen von jenem Europa, das Geflüchtete zur Verhandlungsmasse macht und entsprechend mit ihnen umgeht.

Dasselbe gilt für Deutschland: Es ist jenes Deutschland, das Geflüchtete zur Verhandlungsmasse gemacht hat, Massenabschiebungen durchführt, nicht nur von „Remigration“ träumt, sondern sie auch realisiert. Es ist jenes Deutschland, in dem gefühlt alle paar Wochen die Polizei unschuldige Menschen rassistisch angreift und ermordet. Das Märchen von Einzelfälle verblasst immer mehr.

Die Aufzählung ließe sich noch stundenlang fortsetzen. Doch konzentrieren wir uns lieber auf uns – auf unseren Widerstand.

Halim Dener hat uns gezeigt, wie der Widerstand gegen die Kriegspolitik der BRD wirksam geführt werden kann. Auch sein Tod hat Widerstand hervorgebracht. Wir sind wütend, wir sind viele. Wir kämpfen alle an unterschiedlichen Fronten, aber wir sind im Sinne von „Einheit in der Vielfalt“ stärker, wenn wir unsere Kämpfe verbinden. Hierfür braucht es ein richtiges Verständnis und ein klares Bewusstsein. Auch sich der Wahrheit anzunähern ist notwendig. Auch dieses Bewusstsein müssen wir entwickeln. Abdullah Öcalan und seine Befreiungsbewegung machen es uns vor.

Deshalb lasst uns unsere Kämpfe verbinden, indem wir gemeinsame Maßstäbe schaffen – dafür, wofür wir stehen und wofür wir kämpfen. Lasst uns gemeinsam die kapitalistische Moderne mit ihren hässlichen Nationalstaaten und ihrem Bürgertum überwinden, das immer wieder den Faschismus hervorbringt. Denn der Erhalt der Umwelt, der Natur, der Tier- und Pflanzenwelt, aber auch der Erhalt einer Gesellschaft mit moralischer Grundlage geht uns alle an. Deshalb wollen wir nicht nur an die Kräfte des Systems oder politische Akteur:innen appellieren, sondern selbst die Lösung sein.

Wir wollen ein ökologisches Leben, eine geschlechterbefreite, frauenbefreite, basisdemokratische und solidarische Welt – den demokratischen Weltkonföderalismus! Eine andere Welt ist heute schon möglich. Sehen wir nach Rojava: Rojava hat die Frauenrevolution mitten im Krieg des Nahen Ostens hervorgebracht. Zuletzt weitete sich die Frauenrevolution mit der Parole „Jin Jiyan Azadi“ in Rojhelat (im Osten Kurdistans, also im Iran) aus. Was „Frauen, Leben, Freiheit“ bedeutet, ist auch für uns Frauen hier ein Maßstab.

„Kämpfe verbinden“ – deshalb lasst uns gemeinsam unsere Kämpfe verbinden und uns auch inhaltlich mit dem Erbe verbinden, das Halim uns hinterlassen hat. Lasst uns unsere Ideen, Hoffnungen und Perspektiven vereinen, voneinander und miteinander lernen. Lasst uns im Herzen der kapitalistischen Moderne eine weitere Insel der Freiheit, ein weiteres Rojava erschaffen!

In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!

Jin Jiyan Azadi!

Şehîd namirin!