Ex-Verfassungsgerichtspräsident Papier rät von AfD-Verbotsantrag ab

von Welt

 

Die Alternative für Deutschland (AfD) endlich verbieten? Keine gute Idee, glaubt Topjurist Hans-Jürgen Papier. Das Grundgesetz setze für ein Parteiverbot hohe Hürden, warnte der frühere Verfassungsgerichtspräsident. In der SPD soll sichschon bald der Vorstand mit einem Verbotsantrag beschäftigen.

bild.jpg

Momentaufnahme von der Demonstration «AfD Verbot prüfen - jetzt!» vor dem Bundeskanzleramt dpa/Jörg Carstensen © Bereitgestellt von WELT

 

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat sich gegen Versuche ausgesprochen, die AfD verbieten zu lassen. „Das würde der AfD nur in die Hände spielen“, sagte Papier dem Berliner „Tagesspiegel“. Das Grundgesetz setze für ein Parteiverbot in Artikel 21 hohe Hürden.

 

Jüngst hatte etwa auch CDU-Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in WELT ein solches Verbotsverfahren befürwortet, und sich mit dieser Aussage gegen die Position von CDU-Chef Friedrich Merz gestellt.

Für ein Parteiverbot, warnte nun aber Papier, müssten die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates und der Demokratie angegriffen werden, und zwar in einer aggressiv-kämpferischen Art, etwa in Form eines mehr oder weniger gewaltsamen Umsturzes. Zudem müsste die Partei von ihrem Gewicht her in der Lage sein, diese grundlegende Werteentscheidung der Verfassung zu beseitigen.

Auch wenn die AfD nach Einschätzung Papiers im Gegensatz zur NPD dieses Gewicht hätte, sieht er einen Verbotsantrag kritisch. Man sollte ihn nur dann stellen, „wenn man hinreichende Informationen hat, um alle die genannten Punkte wirklich zu belegen und man mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Erfolg ausgehen kann“, sagte Papier. „Nach meinem Informationsstand halte ich einen Verbotsantrag derzeit für falsch“, fügte er hinzu.

 

Der heute 80-Jährige stand dem Bundesverfassungsgericht von 2002 bis 2010 vor. Statt eines Verbotsverfahrens sieht Papier die gemäßigten Volksparteien der demokratischen Mitte in der Pflicht. Sie müssten Wähler zurückgewinnen.

SPD debattiert über ihre Position zum Verbotsverfahren

Für ein AfD-Verbot spricht sich zum Beispiel die Arbeitsgemeinschaft für Migration und Vielfalt in der SPD aus. Aziz Bozkurt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft und Sozialstaatssekretär in Berlin, sagte dem „Tagesspiegel“: „Deutschland hat eine Geschichte, die zu einem klaren Antifaschismus verpflichtet. Noch ist es nicht zu spät.“ Die Verfassung sehe deshalb Parteiverbote explizit vor.

Der Zeitung zufolge hat die Arbeitsgemeinschaft am Freitag einen Antrag für den SPD-Parteivorstand am Montag eingereicht, wonach sich die SPD in der Bundesregierung für ein Verbot einsetzen soll. Das Papier liegt der Zeitung vor. „Die halbherzige Diskussion um ein Verbot der AfD wirkt als Brandbeschleuniger“, heißt es darin.

 

In Berlin hatten am Freitagabend zudem mehrere Hundert Demonstranten ein solches Parteiverbot der Alternative für Deutschland gefordert, unter ihnen war auch Luisa Neubauer von „Fridays for Future“.

Hintergrund der neu aufgeflammten Verbotsdebatte ist ein Treffen rechter Aktivisten und Extremisten in November, über das das Medienhaus „Correctiv“ berichtet hatte. Zu den Teilnehmern zählten AfD-Politiker und mindestens ein CDU-Mitglied sowie Mitglieder der erzkonservativen Werteunion, die nicht zur CDU gehört, sich dieser aber lange verbunden fühlte.

Redner war bei dem Treffen der frühere Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner. Er sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden

könnte, dass mehr Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.