Hakan Fidan: Der mysteriöse Außenminister im Zentrum der Macht

Im Fokus: Der türkische Außenminister Hakan Fidan. Foto: Jacquelyn Martin

 

Hakan Fidan bleibt trotz seiner wichtigen Rolle ein Rätsel. Geboren in Ankara, umgeben von Spekulationen über seine Herkunft und Familienbeziehungen, ist seine Vergangenheit von Geheimnissen umwoben. Vom militärischen Hintergrund bis hin zu diplomatischen Schlüsselpositionen, wirft sein Werdegang Fragen auf.

Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen in der Türkei trat Hakan Fidan sein Amt als neuer Außenminister an. Fidan, der zuvor mehr als 13 Jahre lang den türkischen Geheimdienst Millî İstihbarat Teşkilâtı (Nationaler Aufklärungsdienst, MİT) leitete, ist ein Rätsel. Von seiner mysteriösen Militärausbildung bis hin zu diplomatischen Manövern stellen sich viele Fragen – wer ist der Mann wirklich?

Fakt ist: Bei der Entwicklung und Umsetzung der türkischen Interventionspolitik im Nahen Osten, im Kaukasus und in Nordafrika spielt er eine Schlüsselrolle. Dennoch bleibt Fidan in der Türkei ein weitestgehend Unbekannter. Informationen über seine Herkunft, Familie und persönliches Leben sind rar. Offiziellen Angaben zufolge wurde Fidan im Jahr 1968 in Ankara im Stadtteil Hacettepe geboren.

Ist Fidan kurdischer Abstammung?

Das Viertel, in dem er aufwuchs, beherbergte viele Kurden. Ob Fidan selbst kurdischer Herkunft ist, ist unklar, wird aber oft behauptet. Gerüchte über mögliche Verwandtschaftsbeziehungen zur PKK wurden von der Pressestelle des Außenministeriums dementiert. Warum seine Eltern nie namentlich erwähnt werden und es keine Informationen über sie gibt, bietet aber Anlass zu Spekulationen.

Ultrationalisten, die der Partei der Nationalen Bewegung (MHP) oder anderen rechtsextremen Gruppen nahestehen, behaupten indes, Fidan sei armenischer Abstammung. Bislang gibt es dafür aber keine stichhaltigen Beweise, und Fidan selbst äußert sich nicht.

Nachrichtendienstlicher Beauftragter der türkischen Armee in Deutschland

Halten wir uns also an die Fakten: Seine militärische Laufbahn begann 1986 an der Nachrichtendienstschule des Heeres. Während seine genaue Eintrittszeit nicht bekannt ist, zeigen offizielle Dokumente, dass er am prestigeträchtigen Ausbildungszentrum für elektronische Kommunikationssysteme der Armee (MEBS Okulu ve Eğitim Merkezi) unterrichtet wurde. Fidan erreichte den Rang eines Offiziers und arbeitete als Techniker in einem Informationsverarbeitungszentrum.

 

In den folgenden 15 Jahren wurde er mindestens dreimal für je drei Jahre nach Deutschland und möglicherweise auch in die USA entsandt, um an NATO-Ausbildungskursen teilzunehmen. Im Rahmen seines Aufenthalts in der Bundesrepublik war er auch Teil der schnellen Eingreiftruppen der NATO und fungierte als nachrichtendienstlicher Beauftragter der türkischen Armee. Er spricht gut Deutsch.

Bereits seit 2007 mit Erdoğan verbandelt

2001 und 2003 diente der heutige Außenminister als Berater an der australischen Botschaft in Ankara, bevor er zum Leiter der türkischen Organisation für internationale Zusammenarbeit und Koordination (TIKA) ernannt wurde. Diese Position verhalf ihm zu höheren Weihen. Und bereits 2007 avancierte er unter Erdoğan zum stellvertretenden Premierminister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Sicherheit.

Kurze Zeit später ernannte man ihm zum ständigen Vertreter der Türkei bei der IAEA (Internationale Atomenergie-Organisation). Dort erarbeitete er eine Strategie zum türkischen Umgang mit dem iranischen Nuklearprogramm und knüpfte enge Bande ins Mullah-Regime. Dafür spricht auch, dass Fidan im Mai 2010, als er die Führung des türkischen Geheimdienstes übernahm, härter gegen Israel vorging.

Auch beim Putsch 2016 spielte Fidan eine prominente Rolle

Auch die Scharmützel um die Mavi Marmara, ein Schiff, das humanitäre Hilfsgüter nach Gaza transportierte, fiel in diese Zeit. 2013 berichtete die Washington Post, dass der türkische Geheimdienst die Identitäten von mindestens zehn iranischen Mossad-Spionen an die iranischen Behörden weitergegeben hatte. Fidan soll daran federführend beteiligt gewesen sein. Auch das Erstarken des IS und anderer islamistischer Gruppen in Syrien, einem Nachbarland Israels, soll er unterstützt haben.

Wenige Jahres später gerät Fidan dann selbst ins Fadenkreuz: Der gescheiterte Staatsstreich vom 15. Juli 2016 beginnt mit einem anonymen Major der Luftwaffe, der dem Geheimdienst mitteilte, dass ihr Chef, Hakan Fidan, entführt werden sollte. Diese Information veranlasste Fidan dazu, mit General Yaşar Güler, damals stellvertretender Chef des Generalstabs der Armee, in Kontakt zu treten. Der ließ daraufhin den Luftraum sperren und untersagte jegliche Truppenbewegungen.

Fidans Clique in Erdoğans Machtapparat

Da die Putschisten nun die Enthüllung ihrer Pläne fürchteten, begannen sie ihre Aktion sieben Stunden früher als geplant – und scheiterten. Auch 2016 durfte sich Fidan als strahlender Sieger im Hintergrund rühmen. Nun ist er an der Spitze angekommen. Der erneute Sieg der AKP bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2023 katapultierte ihn dorthin. Und mit ihm sitzen in Ankara langjährige und skrupellose Verbündete.

 

Yaşar Güler, der nun Verteidigungsminister und ein enger Vertrauter von Fidan ist, wird zum Beispiel mit dem Roboski-Massaker in Verbindung gebracht. Im Dezember 2011 tötete die türkische Luftwaffe nahe der türkisch-irakischen Grenze 35 Zivilisten. Cevdet Yılmaz, ein Freund und Studienkollege Fidans, bekleidet nun das Amt des Vizepräsidenten. Yılmaz ist seit 2007 ununterbrochen im Parlament und zählt zu den ältesten Mitgliedern der AKP.

Fidan betont „nationale außenpolitische Perspektive“

Alparslan Bayraktar, der als Minister für Energie und Ressourcen fungiert und der Bruder von Erdoğans Schwiegersohn Selçuk Bayraktar ist, studierte zur gleichen Zeit an derselben Universität wie Fidan. Bayraktar werden Verbindungen zu den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ und zu Mafia-Organisationen im Land nachgesagt.

Fidan und seine Vertrauten in der Regierung stehen Erdoğan in seinem Wunsch nach einem Erstarken der Türkei auf der internationalen Bühne in nichts nach. Auf der 14. Konferenz der türkischen Botschafter im Juni 2023 betonte Fidan die Absicht, eine „nationale außenpolitische Perspektive“ zu verfolgen, um eine führende Rolle bei der Gestaltung einer neuen internationalen Ordnung zu spielen.
Damit stärkt er die neo-osmanischen Ambitionen seines Vorgesetzten und bringt sich selbst in Stellung. Insgeheim dürfte er auf Erdoğans Nachfolge schielen.