Leichtathletik-EM in Istanbul: Deutscher Doppelerfolg im Schatten des Erdbebens

Istanbul: Hanna Klein (r.) aus Deutschland jubelt nach dem Sieg mit ihrer Landsfrau Konstanze Klosterhalfen. Foto: Oliver Weiken/dpa

Wenige Wochen nach den Erdbeben in der Türkei geht es in Istanbul seit Donnerstag um Medaillen. Die Gedanken der Sportlerinnen und Sportler sind auch bei den vielen Opfern der Katastrophe. Gestern gab es das erste Gold.

Gold und Silber – der erste deutsche Doppel-Erfolg bei einer Hallen-EM über 3000 Meter weckte bei Hanna Klein und Konstanze Klosterhalfen schon Vorfreude auf den Jahreshöhepunkt. „Ich hoffe, dass ich auf den Sommer eine gute Vorbereitung hin habe und dass es mit dieser Ruhe und dem Selbstvertrauen weiter geht“, sagte Überraschungs-Europameisterin Klein. Die 29 Jahre alte Leichtathletin aus Tübingen setzte sich mit einer unwiderstehlichen Schlussrunde gegen Favoritin Klosterhalfen durch.

Die deutsche Rekordhalterin haderte mit Rang zwei. „Ich habe ein gutes Rennen gezeigt und nehme das als Motivation für die Outdoor-Saison mit“, erklärte Klosterhalfen der ARD. „Es ist ein Step zur Outdoor-Saison und da zählt es dann.“ Klein sei „das perfekte Rennen“ gelaufen. Höhepunkt des Jahres ist die Freiluft-WM in Budapest im August. Nach der WM-Enttäuschung des Vorjahres in den USA und dem berauschenden EM-Sommermärchen von München sind die Titelkämpfe in Ungarn ein Jahr vor Olympia in Paris ein wichtiger Gradmesser für den Verband.

Erstmals in der Geschichte

Klein genoss bei der Nationalhymne in der Halle aber erst einmal am Freitagabend in Istanbul ergriffen ihren ersten großen Sieg. Einen deutschen Doppel-Erfolg hatte es in dieser Disziplin zudem noch nie gegeben – weder bei dem Sieg von Brigitte Kraus 1984 oder dem von Ines Bibernell-Obst zwei Jahre später. Während Klein nach EM-Bronze über 1500 Meter in der Halle aus dem Jahr 2021 nun als Siegerin jubelte, verbuchte Klosterhalfen zum dritten Mal EM-Silber in der Halle. „Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagte Klosterhalfen, der Silber nicht wirklich gefiel.

Das war bei Kugelstoßerin Sara Gambetta nach dem überraschenden zweiten Platz anders. „So eine Medaille hat mir immer gefehlt. Das pusht mich jetzt unheimlich“, gab sich die 30-Jährige vom SV Halle/Saale zufrieden. „Ich freue mich auf den Sommer.“ Das galt auch für Dreispringer Max Heß nach Dreisprung-Bronze. „Ich werde meine Geschwindigkeit mitnehmen und kann positiv in den Sommer rein starten“, sagte der 26-Jährige aus Chemnitz.

Jahrhundertbeben wird „angemessen“ berücksichtigt

Das Jahrhundertbeben vom 6. Februar 2023 ist natürlich auch bei den Teilnehmer:innen der Europameisterschaften in Istanbul ein Thema. „Die Gedanken daran, die sind natürlich ständig präsent. Das kann man nicht wegdiskutieren oder wegschieben“, erklärte der deutsche Verbandspräsident Jürgen Kessing der ARD-Sportschau. Es habe die Überlegung gegeben, die Titelkämpfe in der Halle abzusagen. Aber Verband und Staat hätten diese ausrichten wollen. Man habe den Menschen damit Halt und Zuversicht geben wollen, sagte Kessing in Istanbul.

Am 6. Februar hatten zwei Beben der Stärke 7,7 und 7,6 die Südosttürkei und den Nordwesten Syriens erschüttert. Mehr als 50.000 Menschen sind in der Türkei und Syrien ums Leben gekommen. Allein in der Türkei wurden nach Angaben der Regierung mehr als 173.000 Gebäude in elf Provinzen des Landes zerstört.

Das Unglück werde bei den Titelkämpfen „angemessen“ berücksichtigt, wie Kessing befand. Neben einer Schweigeminute gebe es Spendenaufrufe. Den Sportlerinnen und Sportlern sei freigestellt, ob sie mit Trauerflor starten würden.

dpa/dtj