Berlin schlägt Alarm: Kaum noch Kapazitäten für Flüchtlinge
In Berlins Flüchtlingsunterkünften wird es so eng, dass die zuständige Senatorin Alarm schlägt. Die Stadt hat besonders viele Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen, darüber hinaus kommen jeden Tag weitere Asylbewerber aus anderen Ländern.
Die zuletzt ohnehin angespannte Situation bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Berlin hat sich dramatisch zugespitzt. Weil nur noch wenige Plätze zu Verfügung stehen, setzte Integrationssenatorin Katja Kipping (Linke) Stufe 1 eines Notfallplans in Kraft. Geplant sei nun, ein großes Zelt mit rund 900 Schlafplätzen zu öffnen, das bislang als Reserve auf dem Gelände des Ukraine-Ankunftszentrums in Tegel steht.
Als möglichen nächsten Schritt für den Fall, dass sich die Situation nicht bessert, stellte Kipping als Stufe 2 die Feststellung einer „Gefahrenlage“ in Aussicht. Dann könne die Akquise bezugsfertiger Unterkünfte schneller gehen, auch werde dann die Anmietung von Hostels oder Hotels geprüft.
Berlin springt für andere Bundesländer ein
Zur Begründung für die Entwicklung führte Kipping an, dass die meisten Bundesländer zuletzt keine neuen Asylbewerber mehr aufgenommen hätten. „Dort gibt es faktisch einen Aufnahmestopp für Menschen, die Erstanträge auf Asyl stellen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings kämen weiter permanent neue Asylbewerber in Deutschland an, viele davon in der Hauptstadt. „Berlin muss das nun abfedern. Das verschärft hier die Situation.“
Üblicherweise werden Asylbewerber unter den Ländern auf Basis ihrer Einwohnerzahl nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel aufgeteilt. Berlins Anteil liegt bei gut fünf Prozent. Das elektronische Verteilsystem heißt „Easy“. Kipping zufolge meldeten sich „in den letzten Tagen“ die meisten Bundesländer von „Easy“ ab. Sie hätten dies damit begründet, dass sie durch die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter, die keinen Asylantrag stellen müssen, belastet seien.
Keine gleichmäßige Verteilung
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Mittwoch in Berlin, grundsätzlich sei die Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel nicht ausgesetzt. Er sprach allerdings von „Sonderlagen“ in einigen Bundesländern und nannte Kapazitätsengpässe, IT-Ausfälle und Quarantänemaßnahmen. „Das bedeutet, es gibt momentan keine gleichmäßige Verteilung in alle Länder, auf Wunsch einzelner Länder ist das unterbrochen.“
Kipping forderte alle Bundesländer dazu auf, bei der Aufnahme geflüchteter Menschen an einem Strang zu ziehen. „Meine ausdrückliche Bitte an alle Bundesländer ist, zurückzukehren zum Solidarprinzip und sich an der Erstaufnahme von Asylantragstellenden zu beteiligen.“ Bayern und Hamburg hätten sich Stand Mittwoch wieder angemeldet, auch Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machten beim Verteilsystem aktuell mit.
Wieder mehr Neuankömmlinge
Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das für das Verteilungssystem verantwortlich zeichnet, ist „Easy“ nicht ausgesetzt. „Vielmehr wurde die landesübergreifende Verteilung in einige Bundesländer aufgrund von Sonderlagen mit temporären Sperrungen eingeschränkt“, erklärte ein Sprecher auf dpa-Anfrage. Solche „Sonderlagen“ könnten zum Beispiel Quarantänemaßnahmen und damit verbundene Kapazitätsengpässe oder IT-Ausfälle sein. In der Regel dauerten die Sperrungen auf Veranlassung der jeweiligen Bundesländer wenige Stunden bis wenige Tage oder Wochen.
Bedacht werden müsse in dem Zusammenhang auch die aktuelle Sondersituation mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, so der Bamf-Sprecher. Sie stelle alle Bundesländer vor Herausforderungen bei der Aufnahme. „Resultierende Abweichungen von der Aufnahmequote gleichen sich erfahrungsgemäß mittelfristig wieder aus.“
Nach früheren Angaben der Behörden wurden neben ukrainischen Kriegsflüchtlingen zuletzt monatlich um die 1000 Asylbewerber aus zahlreichen anderen Staaten in Berlin registriert. Im Juli sei wegen des Aufnahmestopps in anderen Bundesländern mit etwa 450 mehr zu rechnen, sagte Kipping. Hinzu komme, dass die Tendenz bei den Zuzügen geflüchteter Menschen ohnehin wieder steigend sei.
dpa/dt