Wo soll das enden?"
Kritik an Ampelplan zu Migration
"Wo soll das enden?"
Die Bundesregierung will das Asylrecht verschärfen und Abschiebungen erleichtern. In der Grünen-Fraktion aber gibt es große Bedenken. Dort warnen Experten vor Verstößen gegen das Grundgesetz.
Bei den Grünen regt sich Widerstand gegen zentrale Pläne der Ampelregierung zur Erleichterung von Abschiebungen. Bei diversen Asylrechtsverschärfungen des sogenannten Migrationspakets 2, auf das sich am Dienstagabend Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) geeinigt hatten, gibt es in der Grünen-Bundestagsfraktion massive Bedenken.
Fachleute in der Fraktion warnen davor, dass Grundrechte von Migranten deutlich eingeschränkt würden, um Abschiebungen zu erleichtern. Das sei rechtlich bedenklich, nicht verhältnismäßig und darüber hinaus nicht zielführend, um wirklich mehr Abschiebungen zu erreichen, heißt es.
Während die Grünen-Führungsriege sich bislang hinter die Reformpläne stellt, die ihr Vizekanzler Habeck federführend für die Partei ausgehandelt hat, üben nun erste Abgeordnete öffentlich deutliche Kritik.
"Wo soll das enden?"
"Wir müssen endlich weg von Scheinlösungen, die die Kommunen nicht entlasten", sagte die Grünen
Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer t-online. "Wir hangeln uns doch seit 30 Jahren von Asylrechtsverschärfung zu Asylrechtsverschärfung und gebracht hat es den Kommunen nichts. Wo soll das enden?" Die Politik der Abschreckung sei gescheitert.
Um diejenigen, die keinen Schutzstatus bekommen und hier nicht arbeiten können, wirklich zurückzuführen zu können, helfen Rückführungsabkommen, aber nicht die immer weitere Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundrechte", sagte Schäfer. "Letzteres führt langfristig nur in den moralischen Abgrund."
Schäfer forderte stattdessen: "Arbeitsverbote für Geflüchtete sollten ganz abgeschafft werden, damit Unternehmen und Kommunen gemeinsam eine Integrationsoffensive starten können. Dafür brauchen die Kommunen mehr Entbürokratisierungen und Geld. Unternehmen brauchen Planungssicherheit, damit sich ihre Investitionen in Sprachkurse und Integration ihrer Mitarbeitenden und Auszubildenden auch lohnen."
Die Pläne der Bundesregierung sehen hingegen bislang keine pauschale Abschaffung der Arbeitsverbote vor. Vorgesehen ist stattdessen im Migrationspaket 2 etwa, Menschen mit guter Bleibeperspektive in Sammelunterkünften nach sechs statt neun Monaten das Arbeiten zu erlauben. Zudem "sollen" Ausländerbehörden Geduldeten künftig das Arbeiten erlauben, bisher war ihnen das freigestellt.
"Verfassungsrechtliche Zweifel wiegen schwer"
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Migrationsexperte Julian Pahlke forderte, jeder Vorschlag müsse "zweifelsfrei durch das Grundgesetz gedeckt sein und die Kommunen tatsächlich entlasten". Bei vielen Verschärfungen des Migrationspakets 2 hat Pahlke Bedenken.
"Grundrechtseingriffe wie das Auslesen eines Handys oder die Durchsuchung der Wohnung sind erwiesenermaßen wirkungslos", sagte Pahlke t-online. "Mehr Menschen für längere Zeit in Ausreisegewahrsam und
Abschiebungshaft zu nehmen, bedeutet weitreichende Grundrechtseingriffe, die immer verhältnismäßig sein müssen."
Die diskutierte Pflicht für Migranten zu gemeinnütziger Arbeit sei "inhuman und möglicherweise grundgesetzwidrig", sagte Pahlke. "Auch die Kürzung von Leistungen für Menschen in Sammelunterkünften sind verfassungsrechtlich bedenklich. Diese verfassungsrechtlichen Zweifel wiegen schwer und werfen grundsätzliche Fragen zu diesem Paket auf."
Die Reform der Arbeitsverbote lobte Pahlke hingegen. "Geflüchteten Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist ein wichtiger Schritt."
Habeck: "Man bekommt nur das Ganze im Paket"
Vizekanzler Habeck gestand am Freitag im ARD-"Morgenmagazin" zwar ein, dass es "an verschiedenen Stellen juristische Bedenken" gebe, die nun zu klären seien. Er sagte aber auch, politisch "muss allen klar sein, dass man nur das Ganze im Paket bekommt". Soll heißen: In der Ampelregierung mit SPD und FDP sind Verbesserungen bei den Arbeitsverboten nicht ohne Verschärfungen bei den Abschiebungen möglich.
Habeck betonte, die Grünen hätten lange für eine bessere Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gekämpft. "Alle die, die sich hier verdient machen wollen, sollen auch was verdienen können."
Habeck räumte ein, dass "das Hauptproblem" bei Abschiebungen sei, dass die Herkunftsländer die Menschen nicht zurücknehmen würden. Das könne man nur durch Migrationsabkommen lösen, die Deutschland mit Herkunftsländern schließen will.
"Gleichzeitig sollten wir Lücken, die eine Rückführung verhindern, auch schließen", sagte Habeck. Dafür seien die entsprechenden Verschärfungen im Migrationspaket 2. "Es geht darum, Druck aus der Situation zu nehmen." Viele Menschen und Kommunen seien "an der Grenze der Überforderung oder drüber".