Im August haben fast 28.000 Menschen hierzulande Asyl beantragt. Unter Experten wird nicht ausgeschlossen, dass in diesem Jahr mehr als 300.000 Asylbewerber registriert werden.
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist im August im Vergleich zum Vormonat erneut gestiegen. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) am Donnerstag mitteilte, wurden im August 27.738 Erstanträge auf Asyl registriert.
Im Juli waren es noch 23.674 Erstanträge gewesen, im Juni 23.194. Im Vergleich zum Juli stieg die Anzahl der Asylerstanträge im August demnach um 17,2 Prozent.
Auch im August wurden die meisten Asylanträge wie schon in den beiden Vormonaten von Menschen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan gestellt. Im bisherigen Jahresverlauf wurden nach den Angaben des Bamf 204.461 Asylerstanträge gestellt. Entschieden hat das Bundesamt im laufenden Jahr über 175.474 Asylverfahren.
Wenn man die 15.655 Folgeanträge hinzurechnet, haben zwischen Januar und August insgesamt 220.116 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Bei den Erstanträgen schnellte die Zahl im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, als 115.402 Erstanträge gestellt wurden, um 77,2 Prozent in die Höhe. Wie das Bamf weiter mitteilte, betrafen 15.897 der Erstanträge im Jahr 2023 in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr.
Auf wie viele Asylbewerber muss sich Deutschland in diesem Jahr insgesamt einstellen? Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien sagte dem Tagesspiegel, dass Prognosen schwierig seien, da für die Flucht entscheidende Konflikte außerhalb der EU häufig spontan entstünden. Denkbar sei aber durchaus, dass einzelne Länder in der EU auch im Spätsommer und Frühherbst erhöhte Ankunftszahlen registrieren könnten. Für Deutschland sei nicht auszuschließen, dass in diesem Jahr mehr als 300.000 Asylanträge verzeichnet würden.
Gegenwärtig kämen auf der italienischen Insel Lampedusa vermehrt Flüchtlinge an, erläuterte Kohlenberger weiter. Dies könne auch eine verstärkte Sekundärmigration Richtung Deutschland zur Folge haben. Sekundärmigration bedeutet, dass Migranten in andere EU-Länder wie Deutschland weiterziehen, obwohl Ankunftsländer wie Italien eigentlich für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig sind.
Kohlenberger fordert indes, dass Deutschland den „Wettlauf nach unten“, wie ihn andere EU-Länder wie Dänemark begonnen hätten, bei der Absenkung von Asylstandards nicht mitmachen dürfe. Sinnvoller wäre es, wenn sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für Sanktionen etwa gegen die ungarische Regierung einsetze, welche die Asylregeln ausgesetzt habe.
Unions-Geschäftsführer Frei: Individuellen Asylanspruch abschaffen
Nach der Ansicht des CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführers Thorsten Frei sollte sich die EU darauf verständigen, den individuellen Asylanspruch abzuschaffen und stattdessen pro Jahr ein Kontingent von bis zu 400.000 Menschen aus den Ländern aufzunehmen, in denen es zu politischer Verfolgung kommt. „Damit würde die EU ihrem humanitären Anspruch gerecht werden und könnte zugleich für eine funktionierende Integration dieser Menschen Sorge tragen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.
„Unser Asylsystem ist inhuman und führt dazu, dass sich nur die Zahlungskräftigsten und körperlich Tüchtigsten nach Europa durchschlagen“, so Frei. „Wir müssen dieses Chaos endlich ordnen und die illegale Migration stoppen.“
Einigung in der EU ist noch offen
Zu einer Verringerung der Asylbewerberzahlen soll auch die Reform des EU-Asylsystems beitragen, bei der die EU-Innenminister im Juni einen Durchbruch erzielt hatten. Die Einigung sieht unter anderem Schnellverfahren für Migranten mit einer geringen Bleibeperspektive an den EU-Außengrenzen vor. Über eine endgültige Lösung wird derzeit im sogenannten Trilog zwischen EU-Parlament, den europäischen Mitgliedstaaten und der EU-Kommission verhandelt.
Die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont sagte am Donnerstag, es gebe eine klare Erwartungshaltung, dass die EU-Ebene noch in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung beiträgt. Die EU-Legislaturperiode endet vor der Europawahl im Juni 2024. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel wollte keine Prognose wagen, ob es noch vor der Europawahl zu einer Einigung zwischen EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission kommt.
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Nach der Auffassung des EU-Parlaments sollen Familien mit Kindern unter zwölf Jahren von den Schnellverfahren an den europäischen Außengrenzen ausgenommen werden. Nach den Worten der Verhandlungsführerin des EU-Parlaments, Fabienne Keller, ist unklar, ob sich das EU-Parlament damit durchsetzt.
Bei den Schnellverfahren soll in der Regel innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob ein Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn das nicht der Fall ist, soll er umgehend zurückgeschickt werden.