Türkische Gemeinde in Deutschland
Almanya Türk Toplumu
Bundesgeschäftsstelle – Genel Merkez
Türkische Gemeinde in Deutschland – Obentrautstr. 72 - 10963 Berlin
Pressemitteilung vom 09. September 2021
TGD befragt alle Direktkandidat*innen zu Themen der Einwanderungsgesellschaft
– Positiver Trend und krasser Ausfall
Die Wahlberechtigten mit Migrationsgeschichte können die kommende Wahl entscheiden.
Schafft es eine*r der Kandidat*innen von SPD, CDU oder den Grünen diese 12 % der
Wahlberechtigten für sich einzunehmen, wird er oder sie Bundeskanzler*in der
Bundesrepublik Deutschland. Die Türkische Gemeinde in Deutschland wollte daher
herausfinden, wie die Parteien, aber auch die einzelnen Direktkandidat*innen, zu den
Themen stehen, die die Menschen mit Migrationsgeschichte besonders bewegen.
Wie bereits 2017 befragte die Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (TGD) hierfür rund
1.600 Direktkandidatinnen und -kandidaten der 299 Wahlkreise der Parteien CDU/CSU, SPD,
Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und FDP zu ihren Positionen zu migrations- und
integrationspolitischen Themen. Die Parteizentralen sind selbstverständlich ebenfalls befragt
worden. Die Ergebnisse der Wahlprüfsteine zeigen: auf der einen Seite tragen der konstante
Druck und die kritische Öffentlichkeitsarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie
der TGD und der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) dazu bei, dass
Parteien Themen der Einwanderungsgesellschaft immer stärker zu ihren Themen machen
und die Forderungen der Zivilgesellschaft an Zustimmung gewinnen. Auf der anderen Seite
gilt diese Entwicklung leider nicht für alle Parteien und nicht für alle Themen.
Heute präsentiert die TGD die Ergebnisse ihrer Wahlprüfsteine 2021, die für die
Öffentlichkeit in einer Onlinedatenbank verfügbar gemacht werden, als Orientierungshilfe
für Wähler*innen. Über 700 Direktkandidat*innen haben geantwortet. Die Beteiligung nach
Parteien sieht wie folgt aus: Bündnis 90/Die Grünen (209), Die Linke (187), SPD (143), FDP
(129), AfD (24) und CDU/CSU (21).
So bewertet der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoğlu die Beteiligung der Parteien: „Sehen Sie,
die TGD ist parteipolitisch neutral. Ihre Mitglieder sind in allen demokratischen Parteien
aktiv. Unsere Zusammenfassung ist datenbasiert und wir geben keine Wahlempfehlung ab.
Aber den mageren Rücklauf aus den Reihen der CDU/CSU können wir nicht unkommentiert
lassen. Dieses Desinteresse an den Wähler*innen mit Migrationsgeschichte und den
Themen der Einwanderungsgesellschaft ist erschütternd und steht auch im krassen
Gegensatz zu Einzelpersonen wie Armin Laschet, Annette Widmann-Mauz oder Serap Güler,
die wir seit vielen Jahren als interessiert und zugewandt erleben.“
Zentrale Ergebnisse:
Eine Empfehlung, die die TGD bereits 2013 ausgesprochen hat, ist die Schaffung eines
Bundesministeriums, das die Bereiche der sogenannten Integrationspolitik zusammenführt
mit der Antidiskriminierungspolitik und der Bekämpfung von Rassismus (auch in
Institutionen), um die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft ganzheitlich und
zukunftsgewandt anzugehen. Es gibt eine klare Zustimmung bei den Grünen und den Linken,
die es 2017 so noch nicht gegeben hat. Die Idee ist sogar Teil des grünen Wahlprogramms.
SPD und FDP sind in dieser Frage uneinig bzw. unentschlossen. CDU/CSU lehnen die Idee klar
ab, während einzelne Kandidat*innen sich auch befürwortend äußern und bei der AFD zeigt sich ein ähnliches Bild.
Noch deutlicher ist ein positiver Trend in Bezug auf das Bewusstsein, dass es Maßnahmen
gegen Diskriminierung braucht, um für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. So ist die Idee
der Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen im Kontext Schule für Schüler*innen,
Eltern und Lehrer*innen deutlich positiver votiert worden als noch 2017.
„Parteiübergreifend sehen wir hier eine überwältigende Zustimmung, vor allem, wenn wir
an die Ergebnisse von 2017 denken. Damals war die Resonanz mit 9% bei CDU/CSU, 18%
FDP und 40% SPD ziemlich mies. Da hat sich wirklich viel getan. Wir werten dies als
deutliches Zeichen, dass das Problembewusstsein bezüglich der institutionell bedingten
Diskriminierungen parteiübergreifend gestiegen ist, ebenso wie die Bereitschaft etwas
dagegen zu unternehmen“, sagt Gökay Sofuoğlu.
„Unsere Ergebnisse zeigen insgesamt einen positiven Trend zur Gestaltung der
Einwanderungsgesellschaft. Deshalb irritieren uns die Ergebnisse zur Quote für Menschen
mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst doch sehr“, so Atila Karabörklü,
Bundesvorsitzender der TGD. Während die Zustimmung bei den Linken seit 2017 stark
zugenommen hat, ist der Trend bei den anderen Parteien stark negativ. 2017 lag die
Zustimmung der SPD noch bei 64%, bei den Grünen sogar bei 74%. 2021 liegt sie nur noch
bei knapp über 30%. CSU/CDU, FDP und AfD lehnen eine Quote auch 2021 noch stark ab.
„Die Ergebnisse offenbaren eine generelle Problematik: Einerseits verstehen viele
Politiker*innen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Repräsentanz wichtig wäre
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie an sich. Andererseits sind viele
Parteien und Kandidat*innen zurückhaltend, wenn es um wirksame Maßnahmen geht. Das
wird auch bei den Parteiantworten deutlich. Mehr Diversität wird befürwortet, aber
Maßnahmen, die für mehr Gerechtigkeit und die bessere Einhaltung des
Leistungsversprechens sorgen würden, werden abgelehnt. Es ist das gleiche Phänomen wie
in der Genderfrage: Den Kuchen gerechter verteilen – unbedingt! Meinen Kuchen? Na das
muss doch wohl nicht sein!“, beschreibt es Atila Karabörklü. „Gegen die Quote wird gerne
das Argument der ungerechten Bevorzugung ins Feld geführt. Über die jahrelange
ungerechte Bevorzugung von Männern, von Westdeutschen oder eben von Deutschen ohne
Migrationsgeschichte hat sich keiner beschwert.“ Ergänzt Gökay Sofuoğlu.
Alle Ergebnisse der Fragen an die Direktkandidat*innen und auch die schriftlichen
Antworten der Parteizentralen finden Sie unter folgendem Link zusammengestellt.
Außerdem können Sie dort in einer Datenbank alle Ergebnisse der Direktkandidat*innen
gefiltert, also z.B. nach Partei oder Wahlbezirk, abrufen.
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Pressekontakt:
Kaan Bağcı
Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.
Obentrautstraße 72, 10963 Berlin
Telefon: 030 896 83 81 13 / Mobil: 01520 6862206
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- Geschrieben von Cumali Yagmur
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