Türkische Vereine in Deutschland Bande „Osmanen Germania“ wurde mit Mafia-Geld aus der Türkei finanziert
Ein Mafioso berichtet über Geldtransfers auf Anweisung eines Politikers der Erdogan-Partei. Bandenmitglieder hatten enge Verbindungen zur Regierung in Ankara.
Erdogan-treue türkische Vereine in Deutschland wie die verbotene Bande „Osmanen Germania“ sind nach Aussage eines Mafiabosses mit illegalem Geld aus der Türkei finanziert worden. Der Mafioso Sedat Peker sagte jetzt, er habe Geld für die Vereine nach Deutschland geschickt. Peker handelte demnach auf Anweisung von Metin Külünk, einem Vorstandsmitglied der Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
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Deutsche Sicherheitsbehörden hatten Külünk bereits im Verdacht, enge Kontakte mit den „Osmanen“ zu pflegen. Die Aussagen von Mafioso Peker sind politisch brisant, weil sie den Vorwurf untermauern, dass die AKP-Regierung kriminelle türkische Gruppen in Deutschland lenkt.
Peker packt seit Anfang Mai über seine engen Beziehungen zu Regierungspolitikern in Ankara aus. Der 49-jährige Verbrecher war lange ein Anhänger der AKP: In einer Rede sagte er einmal, er werde im Blut von Regierungsgegnern baden. Heute wirft er Innenminister Süleyman Soylu vor, ihm den früher gewährten Schutz entzogen zu haben.
Aus dem Exil führt Peker per YouTube einen Rachefeldzug gegen Soylu und andere Politiker. So enthüllte er, Soylu habe ihm Polizeischutz verschafft. Dem Sohn eines Ex-Ministerpräsidenten wirft Peker Drogenhandel im großen Stil. Ein früherer Regierungsberater soll nach seinen Aussagen Waffen an radikal-islamische Rebellen in Syrien geliefert haben. Die bisher neun Videos wurden rund 90 Millionen Mal angeklickt.
Foto zeigt „Osmanen“-Funktionär mit Soylu und anderen Ministern
In der jüngsten Folge seiner YouTube-Videos sagte Peker, er sei von dem AKP-Politiker Külünk gebeten worden, Geld an türkische Vereine in Deutschland zu schicken. Regelmäßig sei deshalb Geld „unter der Hand“ nach Deutschland geflossen. An welche Organisationen in der Bundesrepublik das Geld ging, sagte der Rechtsnationalist Peker nicht ausdrücklich.
Die Verwicklung von Külünk in die Angelegenheit lässt aber vermuten, dass die „Osmanen“ unter den Nutznießern waren. Mitglieder der Gruppen hatten enge Verbindungen zu höchsten Regierungskreisen in Ankara: Am Montag kursierten auf Twitter Fotos, die einen „Osmanen“-Funktionär mit Soylu und anderen Ministern zeigten.
Pekers Enthüllungen bestätigen einen Verdacht deutscher Behörden. Die „Osmanen Germania“ waren 2018 von Bundesinnenminister Horst Seehofer wegen Gewalttaten, Erpressung, Zwangsprostitution und anderen Vorwürfen verboten worden. In einem Prozess in Stuttgart wurden führende Funktionäre des Vereins ein Jahr darauf zu Haftstrafen verurteilt.
Schon damals vermuteten deutsche Ermittler, dass es enge Verbindungen zwischen den „Osmanen“ und der türkischen Regierung gebe. Der „Spiegel“ zitierte einen Beamten mit den Worten, der Verein mit seinen rund 300 Mitgliedern sei der „Schlägertrupp“ des türkischen Staates in Deutschland.
Deutsche Sicherheitsbehörden hörten Gespräche ab
Deutsche Sicherheitsbehörden hörten Gespräche von Külünk ab, in denen es um die „Osmanen“ ging. Der AKP-Politiker soll Aktionen der Gruppe in Deutschland organisiert und Erdogan persönlich darüber informiert haben. Mitglieder der „Osmanen“ wurden demnach aufgerufen, gegen Kurden und Erdogan-Kritiker in Deutschland vorzugehen. Zudem soll Külünk bei einer Geldübergabe an die „Osmanen“ beobachtet worden sein.
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Der AKP-Politiker wies die Vorwürfe damals zurück und erklärte, der türkische Staat sei nicht in illegale Machenschaften verwickelt. Zu den neuen Vorwürfen von Peker hat sich der Politiker noch nicht geäußert. Laut türkischen Medienberichten erhielt Külünk von dem Mafiaboss jeden Monat 10.000 Dollar, doch Peker sagte, er habe Külünk sehr viel mehr Geld gegeben.
In seinem jüngsten Video verstärkte Peker auch seine Angriffe auf Innenminister Soylu. Der Minister ermöglichte demnach einem Geschäftsmann, gegen den wegen Geldwäsche ermittelt wurde, die Flucht in die Schweiz. Soylu habe den Unternehmer Sezgin Baran Korkmaz bei einem Treffen im Innenministerium im Dezember über die laufenden Ermittlungen informiert, sagte Peker. Kurz darauf setzte sich Korkmaz ab.
Schon 2019 erregte ein Urteil aus Berlin in Deutschland und der Türkei viel Aufsehen, als ein Gericht erlaubte, vor den „Osmanen Germania“ als „bewaffneten Arm“ Erdogans zu warnen. Das hatte Grünen-Politiker Cem Özdemir getan.
Von der Justiz in der Türkei haben Soylu, Külünk und andere Politiker trotz der schweren Vorwürfe nichts zu befürchten, weil die Regierung Richter und Staatsanwälte kontrolliert. Politisch wiegen die Enthüllungen des Mafiabosses aber schwer, weil sie das Misstrauen deutscher Politiker gegenüber der Türkei bestätigen dürften. Auch innenpolitisch gerät die Regierung durch Pekers Aussagen in die Defensive. Nach einer Umfrage sind 61 Prozent der Wähler überzeugt, dass Mafiosi in der Türkei mächtige Schutzherren haben.