„Junge Menschen aus Marokko oder der Türkei“: Schäuble äußert sich zu Judenhass
Im Gaza-Konflikt gilt inzwischen eine Waffenruhe. Doch die Auseinandersetzungen hallen auch hier noch nach. Merkel betont das Recht auf Meinungsfreiheit und warnt vor Hass auf Juden.
Angesichts antisemitischer Vorfälle bei Demonstrationen gegen Israels Palästina-Politik warnt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Grenzüberschreitungen. „Das Grundgesetz garantiert das Recht zur freien Meinungsäußerung und friedlichen Versammlung. Aber es lässt keinen Raum für Angriffe gegen Menschen anderen Glaubens, keinen Raum für Gewalt, Rassismus und Hetze“, sagte sie in ihrer am Samstag veröffentlichten wöchentlichen Videobotschaft.
„Wer Hass gegen Juden auf unsere Straßen trägt, wer volksverhetzende Beleidigungen äußert, stellt sich außerhalb unseres Grundgesetzes. Solche Taten müssen konsequent geahndet werden und für die Täterinnen und Täter spürbare Folgen haben“, sagte Merkel.
Merkel äußerte sich anlässlich des Tags des Grundgesetzes am Sonntag. Nach dem Aufflammen des Gaza-Konflikts zwischen der Hamas und Israel hatte es auch in Deutschland vermehrt pro-palästinensische Demonstrationen gegeben, dabei kam es auch zu antisemitischen Vorfällen.
„Viele Menschen dagegen“
Die Kanzlerin sprach von „unerträglichen antisemitischen Äußerungen auf einigen Demonstrationen der letzten Tage“. Sie fügte hinzu: „Ich bin aber auch froh, dass sich so viele Menschen gegen solche Tendenzen stellen, dass sie sich klar für die Werte unseres Grundgesetzes und den Schutz der Menschenwürde einsetzen.“
Bei Kundgebungen in verschiedenen Städten forderten Demonstranten am Samstag erneut Solidarität mit Palästina. Bei den Veranstaltungen blieb es bis zum frühen Abend friedlich. Nach Schätzungen eines dpa-Reporters nahmen in Berlin Hunderte Menschen teil. In Leipzig sprach die Polizei von rund 200 Teilnehmern. Auf Plakaten forderten sie unter anderem „Freiheit für Palästina“ und „Stoppt den israelischen Terror“. In Frankfurt beteiligten sich laut Polizei etwa 950 Demonstranten. Es gab auch Solidaritätskundgebungen für Israel. In Gießen etwa versammelten sich rund 300 Menschen.
„Schweres Vergehen“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder forderte derweil ein härteres Vorgehen gegen Judenfeindlichkeit. „Antisemitismus – auch der Alltagsantisemitismus – ist ein schweres Vergehen. Da sollten wir auch mit höheren Strafen operieren“, sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). Söder hält zudem eine „neue Integrationsidee“ für notwendig. Am Ende müsse klar sein: Ob Christen, Muslime, Juden, Buddhisten, Hindus oder Atheisten – alle müssten sich als deutsche Staatsbürger fühlen und die Philosophie einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft leben.
Der Zentralrat der Juden sieht die Justiz gefragt. Präsident Josef Schuster sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Zum Kampf gegen den Antisemitismus gehören immer mindestens zwei: ein entschlossener Gesetzgeber und eine Justiz, die dieses Recht auch entschlossen umsetzt.“ Er ergänzte: „Die größeren Defizite aber sehe ich bei der Justiz, die auf dem rechten Auge doch eine gewisse Sehschwäche hat.“ Gleichzeitig warnte er davor, die Ursache für Antisemitismus allein in der Zuwanderung seit 2015 zu sehen. Judenhass sei auch in anderen Bereichen der Gesellschaft wie etwa unter den sogenannten Querdenkern verbreitet.
„Deutsche haben besondere Verantwortung“
Auch das Internationale Auschwitz Komitee zeigte sich in Sorge. „Jede antisemitische Protestattacke, jede angezündete Israelflagge, jeder durchgestrichene Judenstern, jeder zerstörte Stolperstein bestätigt, dass in der Gesellschaft etwas ins Rutschen gekommen ist“, sagte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das belege, dass die Täter auf stillschweigende Zustimmung für ihren Judenhass hofften.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, es brauche „alle rechtsstaatliche Härte“ und den Konsens der Politik, dass es keinen Platz für Antisemiten gebe. Die Deutschen hätten für das Existenzrecht Israels eine besondere Verantwortung. „Jeder, der in Deutschland lebt, muss das verstehen. Wenn junge Menschen aus Marokko oder aus der Türkei nach Deutschland kommen, dann muss man ihnen das erklären.“ Neben polizeilichen Maßnahmen seien mehr Integrationsanstrengungen nötig.
dpa/dtj