Das Porträt Cumali Yagmur 1992 TAZ 

 

■ Das Porträt

Cuma Yagmur

Wenn man im eigenen Land als Minderheit gelebt hat, wird man sich auch in einem fremden Land für Minderheiten einsetzen.“ Cuma Yagmur (41), halb Türke, halb Armenier aus Türkisch- Kurdistan und als Alevit Angehöriger einer kleinen islamischen Glaubensgemeinschaft, ist seit fünf Jahren deutscher Staatsbürger — und seit einigen Wochen geschäftsführender Vorsitzender des „Einwanderertreffs“ im Frankfurter Stadtteil Bockenheim.

Cuma Yagmur hat sich in der Migrantenszene der Mainmetropole einen Namen gemacht. Er ist Herausgeber und Chefredakteur des Fremden Info, einer Zeitschrift für MigrantInnen und Deutsche. Seit 1980 ist er mit Sabine Kriechhammer verheiratet, die bei der Interessengemeinschaft von mit Ausländern verheirateten Frauen mitarbeitet. Sein Vater, sagt Yagmur, habe ihm vor seiner Flucht aus der Türkei einen Rat gegeben: „Du sollst dich selbst vertreten und dich nicht von anderen vertreten lassen.“ Und deshalb sei es sein politisches Ziel, die MigrantInnen zu organisieren.

Nach dem ersten Militärputsch in der Türkei 1971 war Yagmur in die Bundesrepublik Deutschland geflohen. Eigentlich wollte er nach Frankreich emigrieren — „weil ich mich als Student intensiv mit der deutschen Geschichte beschäftigt hatte und glaubte, in Deutschland nicht leben zu können“. Doch bei einer Zwischenlandung in Frankfurt/Main traf er einen gleichfalls geflohenen Kommilitonen: „Und so bin ich in Frankfurt hängengeblieben.“ Acht Jahre lang lebte Yagmur mit einem Fremdenpaß in der Stadt. Als die Militärs in der Türkei 1980 erneut putschten, stellte Yagmur einen Asylantrag und wurde als Flüchtling anerkannt. „Mir war nach diesem Putsch klar, daß ich nie mehr in die Türkei zurückgehen konnte und wollte.“

Seit 1985 ist Yagmur „auf dem Papier“ deutscher Staatsbürger. Doch weil ihn die Türkei nicht aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen hat, kann Yagmur auch als Deutscher nicht in seine Heimat reisen. „Die würden mich an der Grenze sofort verhaften.“

Und deshalb bleibt Yagmur hier in Frankfurt. Wegen Rostock und Hoyerswerda, sagt Yagmur, sei die Arbeit im „Einwanderertreff“ noch wichtiger geworden. Sie könen alle zu ihm kommen in die Kasseler Straße 13, die ausländischen Jugendlichen und die Frauen — „und selbstverständlich auch die Männer“. Yagmur und sein kleines Team leisten Beratungsarbeit, bieten themenzentrierte Diskussionsabende an oder laden einfach nur zum Plaudern ein. Yagmur: „Man kann doch nicht davonlaufen, vor der Gewalt — wohin auch?“ Sein ganzer Stolz ist seine kleine Tochter Mira-Banu. Und Mira-Banu, sagt Yagmur, soll schließlich einmal in einer „wirklichen multikulturellen Gesellschaft“ leben können. Yagmur: „Dafür lebe und arbeite ich hier in diesem kalten Land.“ Klaus-Peter Klingelschmitt