„Wolfsgruß“ der türkischen Rechtsextremen gefeiert: Imam der DITIB-Moschee Regensburg im Zwielicht
„Wolfsgruß“ der türkischen Rechtsextremen gefeiert: Imam der DITIB-Moschee Regensburg im Zwielicht
Beim EM-Sieg der Türkei gegen Österreich feierte der Imam der DITIB-Gemeinde mit markigen Worten den „Wolfsgruß“. Der Vorstand reagiert verhalten.
Regensburg – Der Vorstand der islamisch-sunnitischen DITIB-Gemeinde in Regensburg ist reichlich bemüht, ihren Religionsbeauftragten in Schutz zu nehmen. Was er getan habe, sei „unangebracht“. Man habe „umgehend“ das Gespräch mit ihm gesucht. Der Mann habe „Einsicht gezeigt“ und schließlich habe er seinen Facebook-Post „unverzüglich gelöscht“.
Doch wirklich erklären kann man nicht, warum sich drei Wochen lang niemand gestört hat an dem Beitrag, den Imam Ali Aydin Derviş öffentlich auf Facebook verbreitet hat und in dem er den „Wolfsgruß“ des türkischen Nationalspielers Merih Demiral mit markigen Worten feierte. Der Post erhielt weit über 100 Likes.
olfsgruß“ auf Facebook gefeiert: „Diese Jungs haben den Wolfsgruß mitten im Herzen Europas gezeigt“
Wörtlich schrieb der Imam der DITIB-Moschee im Stadtosten von Regensburg am 3. Juli in türkischer Sprache (Übersetzung durch einen uns bekannten türkischen Muttersprachler): „Diese Jungs haben heute Nacht Wien erobert...Diese Jungs haben den Wolfsgruß, den Europa verbietet, mitten im Herzen Europas gezeigt. Diese Jungs werden so Gott will auch die Berliner Mauer einreißen und Geschichte schreiben.“
Anlass war der Sieg der türkischen Fußballnationalmannschaft gegen Österreich bei der Europameisterschaft. Der zweifache Torschütze Merih Demiral hatte dort den „Wolfsgruß“ gezeigt, Erkennungszeichen der rechtsextremen Grauen Wölfe.
Als wir Ali Aydin Derviş am Montag diese Woche damit über eine Facebook-Anfrage konfrontieren und ihn um Stellungnahme bitten, reagiert er schnell. Zwar antwortet der Religionsbeauftragte der Regensburger Gemeinde nicht auf unsere Fragen, allerdings dauert es keine Stunde, bis er die Sichtbarkeit seines bis dahin öffentlich einsehbaren Profils weitgehend einschränkt. Seit Dienstagnachmittag sind nur noch ein 2019 online gestelltes Titelfoto und sein Profilbild zu sehen.
„Wolfsgruß“: Kennzeichen türkischer Rechtsextremisten
Zuvor konnte man jede Menge Postings, durchweg in türkischer Sprache, lesen. Darunter auch mehrere Beiträge in Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft, insbesondere sein frenetisches Abfeiern des „Wolfsgrußes“.
Die Grauen Wölfe, als deren Erkennungszeichen dieser Gruß bekannt ist, ist eine Organisation türkischer Rechtsextremisten, die für zahlreiche Morde und Gewalttaten vor allem in den 70er Jahren verantwortlich sind. Bei Pogromen und Anschlägen der rassistischen ultranationalistischen Gruppierung kamen in der Türkei hunderte Menschen ums Leben.
Graue Wölfe: Verantwortlich für Morde, Anschläge und Pogrome
In der Türkei verübten die Grauen Wölfe bis in die 90er Jahre hinein „teils paramilitärische Mordanschläge gegen Sozialistinnen und Sozialisten, Gewerkschafter, Studentenanführer, fortschrittliche Lehrkräfte und Wissenschaftler, Journalisten oder kurdische Politikerinnen und Politiker, weiterhin Pogrome gegen Aleviten“, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt.
Mit mehr als 18.000 Mitgliedern in Deutschland, organisiert in über 300 Vereinen, gelten sie hierzulande als eine der größten rechtsextremen Organisationen. Sie sind bislang nicht verboten, stehen aber unter Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Spiegel-Recherche 2022: Sympathien für Graue Wölfe auch bei DITIB
2022 deckte das Nachrichtenmagazin Spiegel auf, dass es auch bei der Moscheeorganisation DITIB, Abkürzung für „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“, die als verlängerter Arm der türkischen Regierung gilt, einige Funktionäre offen mit den Rechtsextremen sympathisieren.
Das gilt ganz offensichtlich auch für den Imam der Regensburger DITIB-Gemeinde mit ihrer Moschee im Stadtosten Regensburgs.
In ganz Europa verboten ist der „Wolfsgruß“ entgegen der Darstellung von Imam Derviş nicht, insbesondere nicht in Deutschland. Für Nationalspieler Merih Demiral, der den Gruß beim Spiel gegen Österreich zeigte (wo er seit 2019 als „Zeichen der rechtsextremen türkisch-nationalistischen und somit demokratie-kritischen Einstellung“ verboten ist), gab es dennoch Konsequenzen.
Die UEFA sperrte ihn für zwei Spiele, allen Protesten von Staatschef Erdogan zum Trotz. Die Türkei schied anschließend gegen die Niederlande aus.
Nach Feier von „Wolfsgruß“: Kaum Konsequenzen für den Imam
Für den Religionsbeauftragten der Regensburger DITIB-Gemeinde scheint sein Handeln hingegen ohne Konsequenzen zu bleiben. Dafür sieht der Vorstand des 1978 gegründeten Vereins, der sich 1984 DITIB angeschlossen hat und seit fünf Jahren eine eigene Moschee im Stadtosten hat, abgesehen von der Löschung des Posts, offenbar keine Konsequenzen.
„Als Vorstand haben wir den Post intensiv mit dem Imam diskutiert und ihm deutlich gemacht, warum solche Beiträge unangemessen sind“, heißt es lediglich. Man denke nun über „weitere Schritte und Maßnahmen“ nach, „um solche Diskussionen in Zukunft zu vermeiden“.
Kulturverein: „DITIB macht 1:1 türkische Staatspolitik“
Den „Internationale Kultur- und Solidaritätsverein Regensburg“ (IKS) überrascht das Posting von Imam Derviş und die halbherzige Reaktion der Regensburger DITIB-Gemeinde nicht. „DITIB untersteht der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, welches dem türkischen Ministerpräsidialamt angegliedert ist“, schreibt der Verein in einer Stellungnahme. DITIB mache „1:1 türkische Staatspolitik“.
Der IKS erinnert in diesem Zusammenhang „an eine Siegesfeier in Regensburg anlässlich des Wahlsieges von Erdoğan und der AKP 2015 (...), die vom damaligen Imam gesegnet wurde“. 2023 sei Erdoğans neuerlicher Wahlsieg sogar direkt in der Moschee gefeiert worden. Man kenne auch mehrere bekennende Graue Wölfe, die Funktionen innerhalb der Gemeinde hätten.
„Extrem rechte Positionen sind innerhalb von türkischen Communitys in Deutschland leider keine Seltenheit“
Ähnlich sieht das Jan Nowak von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern“. Der Experte sagt: „Extrem rechte Positionen sind innerhalb von türkischen Communitys in Deutschland leider keine Seltenheit.“ Dazu gehöre „insbesondere ein aggressiver Nationalismus, Rassismus gegen Kurd*innen und Alevit*innen, ein verschwörungsideologischer Antisemitismus und auch die Leugnung des Völkermords an den Armenier*innen“.
Die Sensibilität dafür sei in Deutschland leider noch recht gering. „Die Vorstellung, dass Menschen, die selbst von Rassismus betroffen sind, extrem rechte Positionen einnehmen können, scheint viele zu überfordern“, so Nowak. „Außerdem existiert bisweilen die Angst, dass ein Sprechen über türkischen Rechtsextremismus Rassismus befördern könnte.“
Diese Auseinandersetzung müsse man aber führen, fordert Nowak. „Sensibilisierung in den türkischen Communitys fördern, mehr fundierte Kenntnisse zu Ideologien, Strukturen und Aktivitäten des türkischen Rechtsextremismus in Deutschland erarbeiten und schließlich die zivilgesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit dem Thema stärken.“