Zehnmal Gruß der rechtsextremen Grauen Wölfe gezeigt – jetzt SPD-Kandidatin

                         Geschichte von Frederik Schindler
In Filderstadt kandidieren drei Personen aus dem Umfeld eines Vereins der Grauen Wölfe für die SPD bei den Gemeinderats- und Kreistagswahlen. WELT liegen Fotos vor, die die Nähe der Kandidaten zu den türkischen Rechtsextremisten belegt.
                                           bgfrte.jpg
Die kommunale SPD-Kandidatin Gülten Ilbay (2. v. l.) zeigt den Gruß der rechtsextremistischen Grauen Wölfe Screenshot WELT/Facebook © Bereitgestellt von WELT
 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid gab sich am Donnerstagabend zerknirscht. „Mein Besuch zum Fastenbrechen in der Moschee in Filderstadt-Bernhausen hat Irritationen und Kritik hervorgerufen“, postete er in den sozialen Netzwerken. „Diese Kritik verstehe ich und nehme sie ernst. Die Teilnahme am Fastenbrechen war ein Fehler.“ Der gemeinsame Besuch mit der SPD Filderstadt war zuvor in der „Stuttgarter Zeitung“ und in WELT kritisiert worden.

Die Moschee, der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein Filderstadt, gehört zur Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine, dem Dachverband der rechtsextremen Grauen Wölfe in Deutschland. Der Verband ist eng verbunden mit der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP). Die Grauen Wölfe sind nationalistisch, rassistisch und antisemitisch; ihre Feindbilder sind insbesondere Kurden, Aleviten, Juden und türkischstämmige Linke.

Nun zeigt eine WELT-Recherche, dass die Verbindungen zwischen der SPD im baden-württembergischen Filderstadt und dem Graue-Wölfe-Verein deutlich enger sind als bislang bekannt. Demnach kandidieren bei den Filderstädter Kommunalwahlen am 9. Juni drei Personen aus dem Umfeld des Vereins. Alle drei Personen saßen in der vergangenen Woche mit am Tisch, als der Bundestagsabgeordnete und frühere Vize-Ministerpräsident Schmid den Verein besuchte.

                                                  hgztrd.jpg

SPD-Bundestagsabgeordneter Nils Schmid (2. v. r.) beim Fastenbrechen des „Deutsch-Türkischen Freundschaftsvereins“ Screenshot WELT/Facebook © Bereitgestellt von WELT

 

Laut baden-württembergischem Innenministerium gehört der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein zu den aktivsten Mitgliedern des Graue-Wölfe-Dachverbands im Südwesten und „veröffentlicht als Bekenntnis zur türkisch-rechtsextremistischen Ideologie regelmäßig online sein Gedenken an türkisch-rechtsextremistische Vordenker“. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz zeigt sich die Dachorganisation „überzeugt von der Überlegenheit des Türkentums“. Dieses Weltbild verstoße gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz.

Wolfsgruß und Osmanische Reichsromatik

Unter den Kandidaten ist die 47-jährige Gülten Ilbay. WELT liegen zehn Fotos von Ilbay vor, auf denen sie den sogenannten Wolfsgruß zeigt, das Erkennungs- und Begrüßungszeichen der Grauen Wölfe. MHP-Gründer Alparslan Türkeş soll laut baden-württembergischen Verfassungsschutz über den Wolfsgruß gesagt haben, dass der kleine Finger „den Türken“ symbolisiere, der Zeigefinger den Islam und der entstehende Ring die Welt. „Der Punkt, an dem sich die restlichen drei Finger verbinden, ist ein Stempel. Das bedeutet: Wir werden den türkisch-islamischen Stempel der Welt aufdrücken“, sagte Türkeş demnach.

Auf einem der Fotos posiert Ilbay mit Wolfsgruß vor Fotos von Türkeş und dem MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli. Alle Fotos wurden von dem Graue-Wölfe-Verein zwischen Juni 2018 und Dezember 2023 veröffentlicht. Ilbay kandidiert für die SPD Filderstadt auf Listenplatz 14 für die Gemeinderatswahl.

                     turt.jpg

Ein weiteres Wolfsgruß-Foto von Kandidatin Ilbay (r.) – an der Wand Porträts von MHP-Gründer Alparslan Türkeş (l.) und Parteichef Devlet Bahçeli Screenshot WELT/Facebook © Bereitgestellt von WELT
gtre.jpg
SPD-Kandidat Hasan Arslan (M.) – die kleine Flagge an der Wand zeigt das Logo der MHP, die drei Halbmonde Screenshot WELT/Facebook © Bereitgestellt von WELT

 

Müesser K. kandidiert für die SPD Filderstadt bei der Gemeinderatswahl auf Listenplatz 30. Die 43-Jährige ist auf Fotos zu sehen, die der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein im Jahr 2018 gepostet hat. Andere Personen auf den Fotos zeigen den Wolfsgruß, an der Wand hängt ebenfalls eine Flagge mit drei Halbmonden.

Der SPD-Ortsverein Filderstadt und der SPD-Kreisverband Esslingen ließen eine Anfrage von Donnerstag unbeantwortet. Auch auf die Bitte um kurzfristige Weiterleitung von Fragen an Ilbay, Arslan und K. erhielt WELT am Freitag keine Antwort.

Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland und Ehrenpräsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, sagte WELT: „In unserer Einwanderungsgesellschaft können wir uns keine doppelten Standards im Umgang mit Extremisten leisten.“

Die SPD könne nicht einerseits im Bundestag ein Verbot der Grauen Wölfe fordern und die türkischen Rechtsextremisten dann auf lokaler Ebene auf Kandidatenlisten platzieren, so Toprak weiter. „So schwächt man den Kampf gegen Rechtsextremismus insgesamt.