Erdogans Geschacher um Kampfjets - Plötzlich gerät Deutschland in den Streit zwischen der Türkei und Schweden

Artikel von Von FOCUS-online-Gastautor Ronald Meinardus  •

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Der türkische Präsident Recep Erdogan will die alternde Flotte seiner Kampfjets verjüngen. Foto: dpa/Turkish Presidency/Uncredited © Foto: dpa/Turkish Presidency/Uncredited

 

Gnadenlos nutzt Recep Erdogan seine Veto-Macht in der Nato, um an neue Kampfjets für die Türkei zu gelangen. Die Ankündigung von Bundesaußenministerin Baerbock, die Blockade gegen die Lieferung von Eurofighter-Fliegern nach Saudi-Arabien aufzugeben, sorgt für eine völlig neue Situation.

Seit Präsident Erdogan auf dem Gipfeltreffen der Nato im vergangenen Juli seine Zustimmung zum Beitritt Schwedens gegeben hat, erleben wir ein politisches Hin- und Her, das an das Geschacher auf einem orientalischen Bazar erinnert. Dabei geht es längst nicht mehr um das skandinavische Land. Ankara nutzt seine Veto-Macht in der Allianz als Faustpfand in einem Ringen um die Lieferung hypermoderner Kampfflugzeuge aus den USA.

Konkret geht es um die Beschaffung von 40 amerikanischen F-16-Kampfflugzeugen und 80 Modernisierungspaketen für die überalterten türkischen Luftstreitkräfte. Präsident Biden hatte nach anfänglichem Zögern das lukrative Waffengeschäft mit den Türken befürwortet. Im amerikanischen Kongress, der bei Waffenlieferungen ein Mitspracherecht hat, stößt das Vorhaben parteiübergreifend aber auf Widerspruch.

„Positive Entwicklungen seitens der Vereinigten Staaten bei den F-16 werden die positive Haltung unseres Parlaments (in der schwedischen Frage) beschleunigen“, formulierte der türkische Präsident sein politisches Junktim. „Alle diese Fragen sind miteinander verknüpft“.

Erdogan und die F-16: Mit Argusaugen beobachten die Türken Washington

Erdogan hat das Schweden-Dossier inzwischen an das türkische Parlament überwiesen, wo sich zunächst ein Fachausschuss der Angelegenheit angenommen hat und das Thema nun ans Plenum zur definitiven Abstimmung gegeben wird. Mit Argusaugen blicken die Türken derweilen nach Washington in der Hoffnung auf das grüne Licht für die ersehnten Kampfjet-Lieferungen. 

In Amerika erwartet man derweil, dass zunächst die Türkei den entscheidenden Schritt tut: Nur wenn Ankara die Nato-Mitgliedschaft Schwedens ratifiziert hat, sei mit einer Zustimmung zum Verkauf der F-16 zu rechnen, heißt es auf dem Kapitol. Eine weitere Forderung im US-Kongress, die das Verfahren zusätzlich kompliziert, zielt darauf ab, dass Ankara die gelieferten Waffen nicht gegen den Nato-Partner Griechenland einsetzen darf.

Washingtons Beziehungen zur Türkei haben spätesten seit Ankaras Zypern-Invasion vor 50 Jahren und dem folgenden Waffenembargo traditionell eine griechische Dimension. Auch wegen des Wirkens einer gut aufgestellten hellenischen Lobby achtet Washington bei Waffengeschäften in der Region genau darauf, dass die Interessen Athens nicht unter den Tisch fallen.

Erdogan wäre nicht Erdogan, hätte er keinen Plan B

Auch die griechische Luftwaffe ist an hypermodernen Flugzeugen „made in USA“ interessiert. Einmal mehr befinden sich die Amerikaner im Fadenkreuz divergierender Interessen ihrer zerstrittenen Bündnispartner. Kurz vor dem Nato-Gipfel von Vilnius sprach Präsident Biden ein Machtwort. „Die Türkei möchte ihre F-16-Flugzeuge modernisieren. Und (der griechische Ministerpräsident) Mitsotakis in Griechenland bittet ebenfalls um Hilfe. Ich versuche also, ein kleines Konsortium zusammenzustellen, das die Nato in Bezug auf die militärischen Kapazitäten Griechenlands und der Türkei stärkt und Schweden die Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen. Aber es ist im Spiel. Es ist noch nicht fertig.“

Die Worte des Präsidenten liegen inzwischen über ein halbes Jahr zurück – und ein Ende der Saga ist immer noch nicht in Sicht. Eher schwammig fiel dann auch der Hinweis von US-Außenminister Blinken nach seinem Treffen mit Präsident Erdogan in Istanbul vor wenigen Tagen aus. Er habe mit Erdogan über die „finalen Schritte im Prozess der Ratifizierung des Beitritts Schwedens zur Nato in den nächsten Wochen“ gesprochen, so der Amerikaner vor der Weiterreise in den Nahen Osten. Nähere Einzelheiten nannte Blinken nicht.

Erdogan wäre nicht Erdogan, hätte er keinen Plan B für seine aus Expertensicht altersschwachen Luftstreitkräfte: Im November wurde bekannt, dass die Türkei mit Großbritannien und Spanien über die Lieferung von 40 Eurofighter Typhoon verhandelt. Dieses hochmoderne Kampfflugzeug wird gemeinsam von Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien hergestellt. „Der Eurofighter ist eine sehr gute Alternative und wir wollen ihn kaufen“, sagte der türkische Verteidigungsminister Yasar Guler kürzlich.

Baerbocks Eurofighter-Go verändert die Lage grundlegend

Damit es zum Verkauf der Eurofighter kommt, müssen alle Mitglieder des Konsortiums zustimmen – also die Regierungen Großbritanniens, Deutschlands, Spaniens und Italiens. Die Engländer und die Spanier haben ihre Zustimmung bereits signalisiert. Widerspruch gegen das Geschäft mit den Türken kommt derweil aus Deutschland.

Die kürzliche Ankündigung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Berlin gebe seine Blockade gegen die Lieferung von Eurofighter-Fliegern nach Saudi-Arabien auf, schafft eine neue Situation – mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen. Für Deutschland bedeutet die Wende einen strategischen Politikwechsel, möglicherweise gar das Ende einer Politik, keine Waffen an Länder zu geben, die in internationale Krisen und Kriege verwickelt sind.

Wenn Berlin jetzt seine Blockade gegen Eurofighter-Lieferungen an Saudi-Arabien aufgegeben hat, stellt sich die Frage, wie lang die deutsche Ablehnung eines Eurofighter-Geschäfts mit der Türkei halten wird.

Jetzt kommt es auf Berlin an

Mit seiner alles andere als pro-westlichen Politik hat der türkische Präsident die Verbündeten mehr als einmal vor den Kopf gestoßen – und damit den Zugang zu westlicher Militärtechnologie verhindert.

Das haben wir 2019 erlebt, als Erdogans Beschaffung des russischen Raketensystems S 400 zum Ausschluss aus dem amerikanischen F 35-Programm führte. Das sehen wir in diesen Tagen, da die verzögerte türkische Zustimmung zum schwedischen Nato-Beitritt die Lieferung der F-16 behindert.

Bevor die Türkei ihre Politik nicht grundlegend ändert, ist kaum damit zu rechnen, dass Berlin seine Zustimmung zum Verkauf von Eurofighter Kampfjets an Ankara gibt.  

Dr. Ronald Meinardus ist Senior Research Fellow bei der Hellenischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik (ELIAMEP), Athen