Kritik an Erdogan - Türkische Gemeinde rechnet mit immer mehr türkischen Geflüchteten in Deutschland

Artikel von pclmedia
 
Kritik an Erdogan - Türkische Gemeinde rechnet mit immer mehr türkischen Geflüchteten in Deutschland
Seit Kurzem kommt die zweitgrößte Gruppe von Asylbewerbern in Deutschland aus der Türkei. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland geht davon aus, dass dieser Andrang andauern wird. Viele sähen daheim keine Perspektive mehr, sagt Gökay Sofuoglu.
 
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan © Bereitgestellt von PCLMedia
 
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet mit einer weiter wachsenden Zahl von Türkinnen und Türken, die nach Deutschland fliehen. "Die Zahl der Flüchtlinge aus der Türkei wird hoch bleiben", sagte er. "Es ist nicht absehbar, dass sich das ändert. Für viele ist die Türkei nicht mehr das Land, in dem man sich eine Zukunft aufbauen kann. Und Deutschland ist für sie eine der ersten Adressen."

Unter den Geflüchteten seien wohlhabende Türken, die für ihre Kinder keine Perspektive mehr sähen, Anhänger der Gülen-Bewegung, die in der Türkei als Feind Nummer eins betrachtet würden, oder Intellektuelle, die an den Universitäten Schwierigkeiten hätten, weiterzuarbeiten. "Es gibt jedenfalls noch viel mehr Ausreisewillige", betonte Sofuoglu. "Aber es nicht so einfach, ein Visum zu bekommen. Die Wartezeiten sind sehr lang. Das dauert ewig."

Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, sagte: "Während (der türkische Präsident Recep Tayyip) Erdogan sein Ein-Mann-Regime ausbaut, verlassen viele das Land. Das wird weiter anhalten. Die Menschen haben nach den Wahlen ihre letzte Hoffnung verloren. Das sind nicht nur Kurden, sondern auch junge Menschen und die Bildungselite. Sie sehen die einzige Rettung im Ausland." Die Staaten der Europäischen Union seien dafür mitverantwortlich, so Toprak. "Sie haben Erdogan mit ihrem Appeasement gestärkt. Jetzt bekommen sie die Quittung."

Während die EU im März 2016 ein Abkommen mit der Türkei schloss, das dem Ziel diente, Geflüchtete – etwa aus Afghanistan oder Syrien – von der EU fernzuhalten, kommt mittlerweile die zweitgrößte Gruppe von Geflüchteten in Deutschland aus der Türkei selbst. Den bisher rund 95.000 Syrern, die bei uns im laufenden Jahr Asyl begehrten, standen rund 55.000 Türken gegenüber. Viele Türken hatten bis zur letzten Präsident­schafts­wahl im Frühjahr dieses Jahres noch auf einen Wandel zum Besseren gehofft. Doch Erdogan setzte sich erneut durch. Nun sehen viele Türken wegen politischer Repression und galoppierender Inflation keine Perspektive mehr.

Gleichzeitig haben sie immer schlechtere Chancen, in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt zu werden. 2019 betrug die Schutzquote noch 47,4 Prozent und im ersten Halbjahr 2023 lediglich 15 Prozent. Am Montag teilte eine Sprecherin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge mit: "Die Gesamtschutzquote für Asylantragstellende mit türkischer Staatsangehörigkeit im bisherigen Jahr 2023 beträgt 13,6 Prozent."

ie übrigen 86 Prozent müssten das Land eigentlich wieder verlassen. Sofuoglu zufolge können sich lediglich Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Gülen-Bewegung Hoffnung auf Anerkennung machen.

Das Flüchtlingsabkommen der EU mit der Türkei sei unterdessen faktisch tot, sagte der Migrationsforscher Gerald Knaus. Die Türkei nehme seit 2020 keine Flüchtlinge mehr zurück. Und die griechischen Sicherheitskräfte reagierten auf Menschen, die es von dort nach Griechenland schaffen wollten, mit Pushbacks.