Israel und der Gaza-Krieg: Spaltet die Debatte den Berliner PEN?

von : Tagesspiegel

 

Der Kongress des PEN Berlin am Wochenende sorgt für Furore. Kommen dort vor allem Israel-Kritiker zu Wort? Was hat das für Folgen für den noch jungen Autorenclub? Drei Experten antworten.

Israelische Soldaten bei einem Einsatz gegen die Hamas im Gazastreifen.

Israelische Soldaten bei einem Einsatz gegen die Hamas im Gazastreifen. © Foto: REUTERS/ISRAEL DEFENSE FORCES
 

Erst vor eineinhalb Jahren wurde der PEN Berlin hoffnungsfroh gegründet. Aber jetzt gibt es Krach vor seinem Kongress „Mit dem Kopf durch die Wände“ am kommenden Wochenende.

Denn in den letzten Tagen haben mehrere Mitglieder, unter ihnen die Schriftstellerinnen Julia Franck und Anna Prizkau wie auch der Historiker Ernst Piper, den PEN Berlin verlassen. 

Spaltet der Krieg zwischen Israel und der Hamas den Club? In unserer Serie „3 auf 1“ erklären drei Experten, was jetzt zu tun ist. Alle Folgen von „3 auf 1“ finden Sie hier.

Balance-Akt müsste gelingen

Mit dem Kopf durch die Wände heißt das Motto des PEN-Kongresses an diesem Wochenende. Bisweilen macht es vor dem Hintergrund der Hamas-Terrorattacken und dem Gaza-Krieg schon auch den Eindruck, als mache der PEN Berlin genau das. Die Kritik, man positioniere sich nicht eindeutig genug für Israel oder distanziere sich zu wenig von der BDS-Bewegung, moderieren Eva Menasse und Deniz Yücel manchmal etwas arg non-chalant weg, mit Verweisen auf eigene Veranstaltungen oder dass man Menschen mit BDS-Sympathien nicht gleich verunglimpfen sollte, sondern mit ihnen diskutieren.

Dann aber ist es auch so, dass natürlich in einem Verein wie dem PEN Berlin debattiert und gestritten wird, das ist sein Sinn und Zweck - und dass es gilt, unterschiedlichste Positionen und Meinungen auszuhalten, am Ende bildet

die Schriftstellervereinigung auch nur die globale Disparatheit in Sachen Israel und Palästina ab. Bislang gelingt der Balance-Akt von PEN Berlin, und das müsste er auch nach diesem Wochenende.

BDS wirkt immer schaler

Alle Beteiligten an den Debatten und Debakeln auch des PEN Berlin sind Kinder ihrer Zeit. Das lässt sich so lakonisch feststellen, wie die Tatsache, dass kulturpolitisch aktive und einflussreiche Kinder ihrer Zeit genau diesen Umstand reflektieren sollten, also dass sie zeittypischen Moden und Trends unterworfen sind. Es geht darum, dass wir auch, wo nötig, Erwachsene unserer Zeit sind, Leute, die erkennen, wie Israel zum Sündenbock, zum Juden unter den Staaten wurde. Umso bitterer ist jetzt für viele der Abschied vom Bild der Hamas als antikolonialer Heldentruppe, sie hat sich ja als massenmörderische Terrorsekte offenbart.

Im Licht ihres Überfalls auf Israel, die einzige Demokratie im Nahen Osten, wirkt auch die BDS-Bewegung immer schaler, die zum Boykott von Israels Kultur, Wissenschaft und Waren aufruft. Dass der PEN-Berlin darüber streiten muss, ist ein Symptom der Zeit, in der zu viele noch nicht erfasst haben, worum es in den Konflikten der Gegenwart geht. Demokratie oder Autokratie - das ist hier die Frage.

Austritte jüdischer Autoren wiegen schwer

Die Austritte jüdischer Autoren wie Richard C. Schneider und Julia Franck in den vergangenen Wochen wiegen schwer, ebenso der von Ernst Piper, einem sehr angesehen Historiker. Auch wenn wir kein Tanzverein höherer Diplomatentöchter sein wollen und nicht alle die Kunst der Beleidigung auf hohem Niveau beherrschen können, wundert mich der Mangel an kommunikativen Fähigkeiten. Die Austritte sind inhaltlich begründet, betreffen aber auch die Umgangsformen. Da liegt es nahe, schnell einen Zoom oder runden Tisch zu machen, aber manche rufen lieber ihren Anwalt an.

Die Befürchtung, der Kongress diene als Bühne für Dschihadistenversteherinnen und Identitätsfanatiker wird hoffentlich entkräftet werden. Vielleicht kommt man sogar soweit, den Schwarzen Schabbat weltpolitisch zu verstehen, schließlich greifen autoritäre altmaskuline Systeme die modernen Länder entschlossen an. Es wird jedenfalls sehr spannend, denn manche warten das erstmal ab, bevor sie über ihren Verbleib entscheiden.