Grünen-Parteitag: Wie sich die Parteispitze gegen die Grüne Jugend stemmt

Artikel von Goffart, Daniel

                                       Jung rebelliert gegen alt: Katharina Stolla, Vorsitzende der Grüen Jugend, beim Bundesparteitag. Foto: dpadata-portal-copyright=

 

Jung rebelliert gegen alt: Katharina Stolla, Vorsitzende der Grüen Jugend, beim Bundesparteitag. Foto: dpadata-portal-copyright= © Bereitgestellt von Wirtschaftswoche
 

Doch dann ging es bergab. Man rette sich nach der Wahl gerade noch in eine Ampelkoalition, damals Arm in Arm mit der FDP und einem Selfie, das als Erkennungsbild der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ diente. Wenig später kamen der Ukrainekrieg, die Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete und die Aufrüstung der Bundeswehr – schwere Brocken für eine Friedenspartei mit pazifistischen Wurzeln. Mit der Invasion der Ukraine endete auch der Import billigen russischen Gases. Es folgte die Energiekrise und in ihrem Geleitzug der Konjunkturabschwung. Nicht nur der mit viel Mühe geschlossene Koalitionsvertrag war damit in weiten Teilen Makulatur. Auch die grüne Finanzplanung für den grundlegenden Umbau der deutschen Industrie ging mit den explodierenden Preisen nicht mehr auf.

Der Mainstream dreht sich

Als wäre das Regieren in einer von Kompromissen geprägten Drei-Parteien-Koalition nicht schon schwer genug, hat sich das zu Ende gehende Jahr 2023 für die Grünen zum Annus Horribilis entwickelt. Das Gebäudeenergiegesetz, besser bekannt als „Heizungshammer“, stürzte den verantwortlichen Wirtschafts- und Klimaminister Habeck in eine tiefe Krise. Er, der hochgelobte Kommunikator, wurde von der Wutwelle der empörten und verunsicherten Immobilienbesitzer förmlich überrollt. Die forsche Gewissheit der Gutmeinenden löste sich auf in tiefe Verunsicherung. Noch als grüner Bundesgeschäftsführer hatte der heutige Staatssekretär Michael Kellner getönt. „Wir bauen erst das Haus um und dann das Land“. Er musste ebenso klein beigeben wie Habecks ehrgeiziger Transformations-Vordenker Patrick Graichen, der wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft nicht mehr zu halten war.

Die Kampfansage an das Establishment ging nach hinten los, das Volk reagierte mit Abstrafung an der Wahlurne. Bei den Landtagswahlen in Bayern verloren die Grünen drei Prozentpunkte, in Hessen fünf und dort sitzen nun nach zehn Regierungsjahren mit der CDU auf der Oppositionsbank. In den Umfragen liegen die Grünen nur noch bei 13 Prozent – der niedrigste Wert seit drei Jahren.

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Versorgung der Menschen, die Grüne Jugend dagegen hält den Anspruch hoch, Menschlichkeit und die Aufnahme von Geflüchteten an die erste Stelle grüner Politik zu setzen. „Es geht nicht an, dass wir an der größten Asylrechtsverschärfung seit 30 Jahren beteiligt sind“, sagte die Co-Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla.

Es ist eine Gratwanderung zwischen „Humanität und Ordnung“, wie es im Antrag der Parteispitze formuliert wurde. Die Zwänge der Realpolitik als Regierungspartei stoßen während der stundenlangen Debatte auf harten Widerstand. Grünen-Chefin Ricarda Lang warnte ausdrücklich vor den Konsequenzen einer Ablehnung. Das bedeute, „dass wir dann nicht mehr am Tisch sitzen, wenn diese Dinge verhandelt werden.“ Die früheren Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck sahen sich sogar genötigt, die Alternative in drastischen Worten auszumalen: Wenn es keinen Kompromiss zwischen einer offenen Migrationspolitik und einer stärkeren Begrenzung der Zuwanderung gebe, müsse man sich möglicherweise aus der Regierung verabschieden.

Würde der Antrag der Grünen Jugend nämlich durchgehen, dürfte kein Regierungsmitglied der Grünen mehr einer weiteren Asylrechtsverschärfung zustimmen, so Habeck. „Es wäre naiv zu glauben, dass das möglich ist und wir weiter in einer Regierung verbleiben.“ Auch Baerbock malte in ihrer Rede die Folgen eines solchen Beschlusses für die Regierung aus. Die Außenministerin formuliert zwar nur indirekt, aber die Warnung wirkte. In der Abstimmung konnte sich der Bundesvorstand schließlich gegen die Grüne Jugend durchsetzen.

Grünes Votum gegen Mercosur

Doch der Unmut der Basis gegen allzu viel nüchterne Regierungspragmatik suchte sich dann ein anderes Ventil. Bei der Debatte um das Mercosur-Freihandelsabkommen mit Lateinamerika, für das Bundeswirtschaftsminister Habeck mit Nachdruck warb, setzte der Parteitag eine folgenschwere Änderung im Europawahlprogramm durch. Dort steht nun: „Wir lehnen das EU-Mercosur-Abkommen in seiner jetzigen Form ab.“ Zwar ist die Bundesregierung nicht an die Formulierung eines grünen Parteitagsbeschlusses gebunden. Aber weder fördert das die ohnehin schwierigen Verhandlungen, noch ist es geeignet, den wachsenden Unmut der Basis über die Kompromisszwänge ihrer grünen Regierungsvertreter zu dämpfen.

Annus Horribilis für die Grünen

Die aktuelle Enttäuschung ist auch eine Reaktion auf die hochfliegenden Erwartungen an grünes Regierungshandeln. Man war angetreten, die Welt zu retten, doch inzwischen will sich die Welt nicht mehr retten lassen – zumindest nicht von den Grünen. Hinter ihnen liegt ein steiler Absturz: Noch im Bundestagswahlkampf waren Klimaschutz, Nachhaltigkeit und ökologische Lebensweise die Topthemen des deutschen Mainstreams. Die Grünen und ihre Politik, so schien es, waren in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Im April 2021 standen sie in den Umfragen bei 28 Prozent – vor der Union und weit vor der SPD. Eine Revolution kündigte sich an, die Rede war von einer grünen Kanzlerin, der Zeitgeist kleidete sich in grün.

Doch dann ging es bergab. Man rette sich nach der Wahl gerade noch in eine Ampelkoalition, damals Arm in Arm mit der FDP und einem Selfie, das als Erkennungsbild der selbst ernannten „Fortschrittskoalition“ diente. Wenig später kamen der Ukrainekrieg, die Lieferung von Waffen in Kriegsgebiete und die Aufrüstung der Bundeswehr – schwere Brocken für eine Friedenspartei mit pazifistischen Wurzeln. Mit der Invasion der Ukraine endete auch der Import billigen russischen Gases. Es folgte die Energiekrise und in ihrem Geleitzug der Konjunkturabschwung. Nicht nur der mit viel Mühe geschlossene Koalitionsvertrag war damit in weiten Teilen Makulatur. Auch die grüne Finanzplanung für den grundlegenden Umbau der deutschen Industrie ging mit den explodierenden Preisen nicht mehr auf.

Der Mainstream dreht sich

Als wäre das Regieren in einer von Kompromissen geprägten Drei-Parteien-Koalition nicht schon schwer genug, hat sich das zu Ende gehende Jahr 2023 für die Grünen zum Annus Horribilis entwickelt. Das Gebäudeenergiegesetz, besser bekannt als „Heizungshammer“, stürzte den verantwortlichen Wirtschafts- und Klimaminister Habeck in eine tiefe Krise. Er, der hochgelobte Kommunikator, wurde von der Wutwelle der empörten und verunsicherten Immobilienbesitzer förmlich überrollt. Die forsche Gewissheit der Gutmeinenden löste sich auf in tiefe Verunsicherung. Noch als grüner Bundesgeschäftsführer hatte der heutige Staatssekretär Michael Kellner getönt. „Wir bauen erst das Haus um und dann das Land“. Er musste ebenso klein beigeben wie Habecks ehrgeiziger Transformations-Vordenker Patrick Graichen, der wegen Vorwürfen der Vetternwirtschaft nicht mehr zu halten war.

Die Kampfansage an das Establishment ging nach hinten los, das Volk reagierte mit Abstrafung an der Wahlurne. Bei den Landtagswahlen in Bayern verloren die Grünen drei Prozentpunkte, in Hessen fünf und dort sitzen nun nach zehn Regierungsjahren mit der CDU auf der Oppositionsbank. In den Umfragen liegen die Grünen nur noch bei 13 Prozent – der niedrigste Wert seit drei Jahren.