Migration: Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisiert »Überbietungswettbewerb« bei Forderungen

Artikel von Milena Hassenkam DFer Spiegel

 

 

Führende Grünenpolitiker ringen um ihren Kurs in der Migrationsdebatte. Parteichefin Ricarda Lang wehrt sich gegen den Vorwurf der Union, nicht kompromissbereit zu sein. Winfried Kretschmann setzt ganz andere Signale.

Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisiert »Überbietungswettbewerb« bei Migrationsforderungen - Kretschmann will Migration begrenzen

Grünen-Chefin Ricarda Lang kritisiert »Überbietungswettbewerb« bei Migrationsforderungen - Kretschmann will Migration begrenzen © Chris Emil Janßen / IMAGO

 

Grünenchefin Ricarda Lang hat einen »Überbietungswettbewerb« bei der Aufstellung von Forderungen in der Migrationsdebatte kritisiert. »Ich würde sagen, wir fokussieren uns jetzt mal in der Debatte auf das, was am meisten bringt, vor allem für die Kommunen, die vor Ort umsetzen müssen – und nicht auf das, was am härtesten klingt«, sagte sie im Deutschlandfunk.

»Ich finde, dass wir manchmal eine Verschiebung innerhalb dieser Debatte erlebt haben, dass plötzlich das, was am allerhärtesten klingt, als am realistischsten ausgemacht wird, obwohl es eigentlich mit der Realität überhaupt nichts zu tun hat«, kritisierte sie. »Ein Beispiel dafür ist die Obergrenzendebatte, die wir jetzt geführt haben über Wochen hinweg. Ich könnte hier zahlreiche andere nennen.« Der grüne Kurs in der Migrationspolitik bestehe darin, Scheinlösungen zu benennen und bei pragmatischen Lösungen mitzugehen.

Lang wies den Vorwurf aus der Union zurück, die Grünen seien nicht kompromissbereit genug. »Ich glaube, uns als Grünen muss niemand erklären nach diesen letzten zwei Jahren, dass zur Politik der Kompromiss dazugehört, dass zur Demokratie der Kompromiss dazugehört«, sagte sie. »Wir haben in den letzten Jahren an vielen Stellen Entscheidungen getroffen. Ich möchte an die Waffenlieferungen an die Ukraine erinnern. Ich möchte an das schnelle Ausbauen der LNG-Terminals erinnern, wo wir über unseren eigenen Schatten gesprungen sind, weil die Realität es notwendig gemacht hat.«

CDU-Chef Friedrich Merz hatte am Wochenende im Deutschlandfunk gesagt: »Die Grünen müssen an die Wirklichkeit anschlussfähig bleiben.« Sie müssten akzeptieren, dass sie Kompromisse machen müssten. Wenn sie dazu nicht bereit seien, habe die Union andere Optionen. Hintergrund ist die Entscheidung der hessischen CDU, mit der SPD statt mit ihrem langjährigen grünen Koalitionspartner Verhandlungen über eine Regierungsbildung aufzunehmen. Die Union fordert zum Beispiel, die Zahl der sicheren Herkunftsländer deutlich auszuweiten, den Familiennachzug von Geflüchteten zu begrenzen und Mehrfachasylanträge zu unterbinden.

Kretschmann will irreguläre Migration begrenzen

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnt indes vor einer Aushöhlung des Asylrechts. »Man braucht doch kein Asylrecht, wenn jeder kommen und bleiben kann, wie er möchte. Wir müssen die irreguläre Migration begrenzen, sonst kommt das Asylrecht unter die Räder«, sagte der Grünenpolitiker der »taz«. Dass die Grünen in Hessen aus der Regierung flögen, müsse seine Partei wachrütteln. »Der Kurs in der Migrationspolitik ist da ganz entscheidend: runter von der Bremse bei der Eindämmung der irregulären Migration.«

Das Asylrecht dürfe nicht ausgehöhlt werden, sagte Kretschmann. »Humanität kann es nur in der Ordnung geben. Asyl heißt: Wer verfolgt wird, kann herkommen. Das heißt aber doch auch: Wer nicht verfolgt wird, kann eben über

das Asylrecht nicht kommen.« Wenn die Grüne Jugend jetzt eine Abschottung befürchte, könne man nur fragen: »Wo leben die denn? Wir haben gerade eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, allein Baden-Württemberg hat doppelt so viele ukrainische Geflüchtete aufgenommen als Frankreich. Das ist das Gegenteil von Abschottung.«

Wenn der Staat nichts mache in der Migrationsfrage, entstehe der Eindruck, dass der Staat handlungsunfähig sei. »Das ist die allergefährlichste Botschaft überhaupt! Das treibt die Menschen zu den Rechten«, sagte Kretschmann.