Nach Sahel-Staatsstreichen: Wie der türkische Halbmond über Afrika wachtâ
In Afrika verfolgt die Türkei eine offensive Wirtschaftspolitik. Politik, Militär und Unternehmen buhlen unter Erdoğan um Großaufträge. Da kommen die antifranzösischen Staatsstreiche im Sahel gerade recht. Sie bieten neue Märkte und Einflussmöglichkeiten.
Niger, Burkina Faso, Guinea, Mali und nun Gabun: Westafrika wird seit 2020 von einer ganzen Reihe an Staatsstreichen erschüttert. Die instabilen Staaten im frankophonen Afrika wenden sich von der ehemaligen Kolonialmacht ab. Der Westen hat ausgedient. Und auf der Suche nach neuen Partnern steht neben China und Russland ein Land besonders hoch im Kurs: die Türkei.
So erstaunt es nicht, dass Ankaras Vertreter immer häufiger bei den Machthabern vorstellig werden, sehr zum Missfallen der internationalen Gemeinschaft. Der ehemalige türkische Außenamtschef Mevlüt Çavuşoğlu sorgte zum Beispiel 2020 für einen Eklat, als er nur drei Wochen nach dem Putsch in Mali nach Bamako reiste und die Militärregierung so legitimierte.
Aufbau neuer Allianzen
Zwar geht die Türkei nun vorsichtiger vor, eine offizielle Verurteilung der Putsche gab es aber – auch im jüngsten Fall von Gabun – nicht. Das ist zumindest verwunderlich. Denn Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der selbst den Putsch von 2016 überstand, dürfte gegenüber Umsturzversuchen keine zwei Meinungen akzeptieren.
Indes scheint Ankara auf dem afrikanischen Kontinent weiterhin seinen Einfluss mit aller Macht – und zur Not auch mit zweifelhaften Partnern – ausbauen zu wollen. Die Staatsstreiche bieten schließlich die Möglichkeit für den Aufbau neuer Allianzen. Einflussmöglichkeiten für neue Akteure tun sich auf.
Afrika: Markt der Zukunft
Das bietet Gelegenheiten für die schwache türkische Wirtschaft. Dazu passt: In jüngster Vergangenheit war die Türkei in Afrika sehr aktiv. Handelsabkommen mit 45 afrikanischen Staaten und über 1.500 türkische Unternehmen, die Investitionen von insgesamt 70 Milliarden US-Dollar in Afrika tätigten, sprechen eine eindeutige Sprache.
Auch politisch koppelt die Türkei Afrika immer mehr an sich. Dafür spricht, dass die Zahl türkischer Botschaften auf afrikanischem Boden in den vergangenen 15 Jahren von zwölf auf 44 stieg. Ankara sieht Afrika als Markt der Zukunft – und kann auf das Momentum hoffen. Europa verliert vielerorts seine Stellung. Der erhobene Zeigefinger aus dem globalen Norden kommt nicht mehr gut an. Die Türkei gilt hingegen als Partner auf Augenhöhe.
Türkei neue Ordnungsmacht in Afrika?
Türkische Ingenieure und Produkte sind beliebt. Die an die Macht geputschten Militärregierungen Westafrikas schielen vor allem auf die türkischen Rüstungsgüter. Deren rabiater Einsatz im libyschen Bürgerkrieg blieb nicht unbemerkt. Außerdem ist Ankara zu einem Wissenstransfer bereit. Afrikanische Partner werden auf Wunsch auch vor Ort an türkischen Waffen ausgebildet. Auf diese Kontakte lässt sich aufbauen – wie im Niger.
An die dortigen Streitkräfte verkaufte die Türkei 2021 mehrere Bayraktar-Drohnen. Der enge Draht zum Militär Nigers ist für die Türkei nun von Vorteil. Traditionell stark in Nordafrika und Somalia, ist Westafrika für Ankara quasi Neuland. Ob sich die Türkei gar zu einer neuen Ordnungsmacht in Afrika entwickelt, wie manche Expertinnen und Experten bereits prophezeien, ist fraglich. Vorerst stehen wirtschaftliche Interessen im Mittelpunkt.