„Sollen sie halt gehen“: Immer mehr türkische Ärzte kommen nach Deutschland
- Die Türkei sieht sich weiterhin mit einem signifikanten „Braindrain“ konfrontiert, einer massiven Abwanderung von gut qualifizierten Arbeitskräften. Insbesondere der Medizinsektor ist betroffen: Ärzte, darunter viele Spezialisten, suchen ihr Glück vermehrt im Ausland, darunter vor allem in Deutschland.
Miese Stimmung im Präsidentenpalast: Angesichts der Abwanderungswelle von gut qualifizierten Arbeitskräften aus der Türkei reagierte Präsident Recep Tayyip Erdoğan mehrfach recht verschnupft. Sein abweisender Kommentar zum türkischen Braindrain – „wenn sie gehen wollen, sollen sie halt gehen“ – steht im starken Kontrast zu den realen Zahlen. Allein zwischen dem 14. und 31. Mai 2023 sollen laut dem türkischen Ärztebund 144 türkische Ärzte ihre Heimat.
Das deutsche Gesundheitssystem profitiert von dieser Entwicklung: Inzwischen haben sich hierzulande über 15.000 türkische Ärzte niedergelassen. Diese Migration wurde jüngst mit einem gemeinsamen Picknick türkischer Ärzte in Hannover gefeiert, das weit über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte. Denn das bei dem Treffen aufgenommene Gruppenfoto verbreitete sich schnell in türkischen Medien und via Social Media.
Regierungsbefürworter sprechen von Verrat
Die Meinungen sind gespalten. Für viele Beobachter ist das Bild ein sichtbarer Beweis für den Verlust an Fachkompetenz in der Türkei und die verfehlte Politik der türkischen Regierung. Die Opposition kritisiert, dass Erdoğan dem Land mehr schadet als nützt. Regierungsbefürworter hingegen interpretieren die Abwanderung als Verrat und drücken ihre Missbilligung aus.
Die andauernde Debatte um den türkischen Braindrain überdeckt indes eine Notwendigkeit: Es ist essenziell, dass sowohl die Regierung als auch die Gesellschaft einen Weg finden, diese Abwanderung zu stoppen. Bedingungen müssen geschaffen werden, um die klügsten und gut ausgebildeten Köpfe im Land zu halten. Doch die Abwanderung von Ärztinnen und Ärzten ist nur ein Symptom eines tieferliegenden Problems, das angegangen werden muss. Konstruktive Lösungen statt Schuldzuweisungen sind nun gefragt.