Gläubige sind nicht das Hauptproblem

Von Lamya Kaddor

 

 
Ostern, Ramadan und Corona: Gläubige sind nicht das Hauptproblem | Kolumne. Für t-online-kolumnisin Lamya Kaddor ist Religionsausübung mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie vereinbar.  (Quelle: imago images)

Für t-online-kolumnisin Lamya Kaddor ist Religionsausübung mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie vereinbar. (Quelle: imago images)

  •  Ostern steht an, Pessach hat bereits begonnen, der Ramadan folgt Mitte April. Religionsausübung in der Coronakrise zu untersagen, ist tabu. Aber strengere Schutzmaßnahmen wären nötig gewesen, meint unsere Kolumnistin Lamya Kaddor

Religionen haben nicht unbedingt einen Lauf. Im Schatten von Radikalisierungen, Missbrauchsskandalen, homophoben und patriarchalen Tendenzen ziehen sie Kritik und Ablehnung gerade an wie Magneten. Corona setzt den Religionsgemeinschaften weiter zu. Sobald Infektionen in einem religiösen Kontext bekannt werden, löst das insbesondere in den sozialen Medien reihenweise Reaktionen aus – meist solche mit geiferndem Spott und triefendem Hass.

Pessach hat bereits begonnen, Ostern steht vor der Tür, Ramadan wird in Kürze beginnen – wir sind also mitten in einer religiösen Hauptsaison. Ein Fest für alle, die hier Aktien im Spiel haben. Kaum war die Idee von der Osterruhe geboren, trendete auf Twitter das Schlagwort "Ramadan". Nutzerinnen und Nutzer streuten wieder einmal die Verschwörung, die Politik wolle Muslimen und Musliminnen schonen und die Infektionszahlen vor dem Beginn des Fastenmonats Mitte April so weit zurückbringen, damit dann keine Einschränkungen mehr nötig seien.

Weil Islamisierung. Weil Schuldkomplex. Weil mit Christen und Christinnen könne man das ja machen und so. Das sind dabei die gängigen Erzählungen, und – so erstaunlich das ist – dieses absurde Theater funktioniert in gewissen Kreisen immer wieder aufs Neue.

Der Unmut der Kirchen ist nachvollziehbar

Dabei muss man konstatieren, dass Religionsgemeinschaften offenbar keinen sonderlich großen Anteil am Infektionsgeschehen haben und sich in der Vergangenheit überwiegend vernünftig verhalten haben. Als besondere Verursacher von Superspreader-Events wurden sie von den Behörden jedenfalls bisher nicht hervorgehoben. Im Frühjahr 2020 haben Kirchen, Moscheen und Synagogen in Deutschland die Beeinträchtigungen der Ostfeierlichkeiten, des Ramadans und des Pessachfests weitgehend widerspruchslos hingenommen.

Danach gab es lediglich vereinzelte Infektionsgeschehen. Unvernünftige gibt es halt immer und überall. "Nach unseren Kenntnissen halten sich die Religionsgemeinschaften sehr genau an die Auflagen, und wir erleben hier einen besonders verantwortungsvollen Umgang auch mit den Hygiene- und Abstandsregelungen", sagte zum Beispiel die Referatsleiterin für Gesundheit und Umwelt der Stadt München, Stephanie Jacobs, dem Bayerischen Rundfunk.

Ähnlich äußerte sich die Stadt Frankfurt nach einem Corona-Ausbruch in einer Baptisten-Gemeinde mit 75 positiven SARS-CoV-2-Fällen. Die Analyse des Geschehens habe keine länger anhaltenden Auswirkungen auf die Fallzahlen in Hessen ergeben, hieß es. Auch Weihnachten ging weitgehend reibungslos ohne größere Infektionsgeschehen vorüber. Genau genommen setzte sich nach den Festtagen das Absinken der Zahl an Neuinfektionen in der zweiten Coronawelle ohne nennenswerte Delle fort. Entsprechend nachvollziehbar war der Unmut der Kirchen auf den Appell der Bund-Länder-Konferenz, an Ostern nur virtuell Messen und Gottesdienste abzuhalten.