Die jugendlichen Terroristen des 'Islamischen Staates'
Artikel von Cathrin Schaer
Die Zahl der wegen Terrorismus verhafteten Teenager in Europa steigt. Mit Erfolg rekrutiert die Terrorgruppe "Islamischer Staat" europäische Jugendliche für ihre Anschläge.
Er attackierte das israelische Generalkonsulat in München und lieferte sich einen Schusswechsel mit deutschen Polizisten, in dessen Verlauf er erschossen wurde. Die anschließenden Ermittlungen ergaben, dass der 18-jährige Emrah I. offenbar von dschihadistischer Propaganda beeinflusst war, wofür es im Vorfeld jedoch kaum Indizien gegeben hatte.
Der einzige Hinweis, der auf seinen Anschlagsversuch in München hätte deuten können, stammt aus dem Frühjahr 2023. Damals fand die österreichische Polizei nach Beschwerden über eine Schlägerei, an der der junge Mann beteiligt war, bei ihm ein Computerspiel, auf dem auch eine Al-Kaida-Flagge zu sehen war. Inzwischen geht die Polizei davon aus, dass Emrah I. sich in den vergangenen Monaten über das Internet radikalisiert hat.
Wachsende Zahl jugendlicher Terroristen
Emrah I. ist nicht allein. Zwischen März 2023 und März 2024 registrierten Forscher des Washingtoner Instituts für Nahostpolitik weltweit 470 einschlägige Rechtsfälle im Zusammenhang mit der Extremistengruppe "Islamischer Staat" (IS). An mindestens 30 Fällen waren Teenager oder Minderjährige beteiligt. Doch die tatsächliche Zahl könnte "deutlich höher" sein, heißt es in dem Report. Denn viele Länder gäben das Alter der Verhafteten nicht an.
Eine andere Studie unter der Leitung des Terrorismus-Experten Peter Neumann vom King's College in London untersuchte 27 aktuelle Fälle mit IS-Bezug. Das Ergebnis: Zwei Drittel der in diesem Kontext Verhafteten waren Minderjährige.
Anfang September wurde ein 14-Jähriger in Uruguay festgenommen, nachdem er sich im Internet als "einsamer Wolf" bezeichnet hatte. Wenige Tage später verhafteten die Schweizer Behörden einen 11-Jährigen. Er hatte in den sozialen Medien extremistische Botschaften verbreitet.
So durchsuchte die österreichische Polizei im Fall des möglichen Anschlags auf Besucher eines Taylor-Swift-Konzerts in Wien die digitalen Netzwerke des 19-jährigen österreichischen Hauptverdächtigen. Die deutsche Polizei nahm daraufhin einen 15-Jährigen in Brandenburg fest, der im Verdacht stand, den Österreicher zu unterstützen.
Experten gehen nicht davon aus, dass sich die Botschaften explizit an europäische Teenager richten. Eher hänge die wachsende Zahl jugendlicher Angreifer mit der Art und Weise zusammen, in der sie auf den sozialen Medien und Messaging-Plattformen Zugang zu IS-Inhalten erhielten.
Angriffe von Jugendlichen werden in der Regel von der IS-Gruppe "inspiriert" und nicht direkt von einer Person etwa aus Afghanistan befohlen. Das ist eine ganz andere Dynamik als noch im Jahr 2014, als der IS große Teile des Irak und Syriens eroberte. Damals standen die potenziellen Rekruten oft in direktem Kontakt mit einem Ansprechpartner im Nahen Osten, der sie ermutigte, ihre Heimat zu verlassen und ins "Kalifat" zu kommen.