Mehr islamfeindliche Straftaten (Kriminalität)

                                                                     Geschichte von Gregor Haschnik

                                                  musche.jpg

                                                   Auch in der Ditib-Moschee in Göttingen gingen Drohungen ein. © Swen Pförtner/dpa

 

 

                          Die Zahl der erfassten, islamophoben Delikte in Hessen ist im vergangenen Jahr von 35 auf 73 gestiegen.

Schmierereien an Moscheen, Bedrohungen, Aufforderungen zu Straftaten und Beleidigung von Geistlichen: Die Zahl dieser und anderer erfasster Delikte mit islamfeindlichem Hintergrund hat 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zugenommen, sie stieg von 35 auf 73. Das geht aus einer detaillierten Aufschlüsselung hervor, die die Frankfurter Rundschau beim Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) angefragt hat. Den Angaben zufolge war Volksverhetzung mit 29 Fällen das häufigste Delikt, gefolgt von Beleidigung (insgesamt zehn Fälle), Belohnung und Billigung von Straftaten (zehn), Beschimpfung religiöser Bekenntnisse (fünf) und Bedrohung (vier).

Die Statistik basiert auf Daten zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK) – wobei nur angezeigte Fälle berücksichtigt werden, so dass es auch ein Dunkelfeld gibt. Gleichzeitig handelt es sich zunächst einmal um eingeleitete Verfahren, nicht um Urteile.

Neben zwei Sachbeschädigungen listet das HLKA in seiner Antwort zwei Fälle von Körperverletzung und drei Fälle von gefährlicher Körperverletzung auf. Von den insgesamt 73 Fällen konnten bislang 25 aufgeklärt werden (Stand März). 2021 waren hessenweit 43 Taten registriert worden, wobei 13 davon aufgeklärt wurden. Für das vorangegangene Jahr zeigt die Statistik 66 Fälle (22 aufgeklärt), für 2019 37 Fälle (14 aufgeklärt). Zahlen für das laufende Jahr liegen noch nicht vor.

Auffällig ist zudem, dass „religiöse Repräsentanten“ demnach zunehmend zum „Angriffsziel“ werden. Die HLKA-Spezialisten sahen einen Anstieg von 28 auf 69 Fälle, die insbesondere Vertreter islamischer Religionsgemeinschaften betrafen.

Zuletzt hatten vor allem zahlreiche Drohbriefe für Aufregung gesorgt. Bereits im vergangenen Jahr sprach allein der türkisch-sunnitische Gemeindeverband Ditib von rund 90 solcher Schreiben, die beispielsweise Gemeinden in Frankfurt, Dieburg, Schlüchtern und Gelnhausen erhielten. Bei der Zentralmoschee im Frankfurter Bahnhofsviertel gingen fünf eng beschriebene Seiten mit einer herabwürdigenden Karikatur des Propheten Mohammed ein.

Statistik

Die Politisch motivierte Kriminalität (PMK), zu der islamfeindliche Taten zählen, hat 2023 auch insgesamt zugenommen, auf 3425 Straftaten. Ein Jahr zuvor waren es noch 2611. Die Zahl antisemitischer Delikte hat sich mehr als verdoppelt, auf 347.

Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte die Zunahme unter anderem mit den vielen Krisen sowie Konflikten in der Welt, einer aufgeheizten Stimmung und „Nachholeffekten“ nach der Corona-Pandemie. gha

Im Herbst 2023 gestand ein 50-Jähriger aus Hagen, für rund 40 rechtsextreme und islamfeindliche Briefe verantwortlich zu sein, die er zum Teil nach Hessen verschickt hatte, unter anderem nach Gelnhausen. Er verfasste sie im Namen einer Familie aus Osnabrück, um dieser zu schaden. Rechtsradikale Anhaltspunkte für seine Taten seien nicht bekannt. Viele weitere Fälle wurden nicht aufgeklärt.

Vertreter von Moscheegemeinden – etwa aus Gelnhausen, wo in der Vergangenheit weitere bedrohliche Briefe eingegangen seien – äußerten sich gegenüber der FR besorgt und kritisierten, sie fühlten sich von den Sicherheitsbehörden nicht ausreichend informiert und unterstützt. Das HLKA teilte mit, die hessische Polizei nehme Drohschreiben immer sehr ernst. Nach einer Analyse würden die notwendigen individuellen Maßnahmen getroffen. Der Austausch mit den Betroffenen sei ebenfalls wichtig. So habe es zum Beispiel ein „Sicherheitsgespräch“ zwischen DITIB-Hessen und dem Frankfurter Polizeipräsidenten Stefan Müller gegeben

Zudem hielten die Migrationsbeauftragten der Polizei Kontakt zu den Gemeinden.

Im Hinblick auf die Gefährdungslage schreibt das HLKA, es sei auch künftig zu erwarten, dass Moscheen von Straftaten aus den verschiedenen Bereichen der Politisch motivierten Kriminalität betroffen sein würden. Das Gros der möglichen Straftaten dürfte im Bereich der Sachbeschädigung liegen, so das LKA. Schwere Straftaten seien derzeit unwahrscheinlich. Allerdings, so ergänzt die Fachabteilung, bestehe grundsätzlich eine „potenzielle

Gefährdung durch Aktionen sogenannter irrationaler oder geistig verwirrter Personen“, deren Handlungen sich einer gesicherten polizeilichen Prognose entzögen.