Beschwerden über islamischen Religionsunterricht sind keine Seltenheit

Ein liberaler Muslim: Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster. Foto: dpa/Caroline Seidel

Aachen/Münster Mouhanad Khorchide bildet an der Uni Münster die islamischen Religionslehrer für ganz NRW aus. Der liberale Muslim kennt die Streitpunkte zwischen Eltern und Schulen.

Uneinigkeit zwischen Eltern, Kindern und Lehrkräften und auch Beschwerden über den islamischen Religionsunterricht sind keine Seltenheit. Genaue Zahlen dazu gibt es aber nicht, wie Professor Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, gegenüber unserer Zeitung erklärt. Dort werden die angehenden Lehrkräfte in Nordrhein-Westfalen ausgebildet. Im Dezember sei allerdings eine auf zwei Jahre angelegte Studie gestartet worden, sagte Khorchide.

Im Raum Aachen, Düren und Heinsberg wird der islamische Religionsunterricht an 15 Schulen – von der Grundschule bis zum Gymnasium – angeboten. Zuletzt wurde der Unterricht am Gymnasium in Eschweiler eingeführt. „Probleme tauchen insbesondere dann auf, wenn Kinder und Jugendliche von ihren Eltern oder von Imamen in den Moscheen sehr streng bis fundamentalistisch religiös geprägt sind“, sagte Khorchide, der für seine liberale Interpretation des Islam von Muslimen durchaus angefeindet wird. Khorchide betont die Barmherzigkeit des Islam und setzt sich für eine historisch-kritische Betrachtung des Koran ein, was ihm vielfach Kritik von Islamverbänden eingebracht hat – und Polizeischutz.

Mitunter rufen unzufriedene Eltern nicht wie in Eschweiler bei den Schulen, an denen es den islamischen Religionsunterricht gibt, an, sondern direkt bei Khorchide. „Ein Vater hat sich bei mir beschwert, weil seine Tochter nach sechs Monaten Islamunterricht ,immer noch kein Kopftuch trage’“, sagte Khorchide, um ein Beispiel zu nennen. Der Wissenschaftler habe dem Vater daraufhin erklärt, dass er die Entscheidung seiner Tochter respektieren müsse und dass es nicht die Aufgabe des Religionsunterrichts sei, dem Kind das Kopftuchtragen zu vermitteln. „Vielmehr geht es doch darum, mündige Bürger aus den Jugendlichen zu machen.“

Der islamische Religionsunterricht kläre über Argumente und Gegenargumente auf und ordne den Islam und den Koran historisch ein. „Die jungen Menschen sollen für sich selbst entscheiden, nicht der Imam, nicht Bräuche und auch nicht die Familie.“

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Themen, die besonders kritisch aufgenommen werden, seien die interreligiöse Heirat, also zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen, und Homosexualität. Beides betreffe aber die Lebenswirklichkeit von Muslimen in Deutschland, betont Khorchide. „Gemäßigte Ansichten eröffnen einigen Kindern neue Perspektiven“, sagte Khorchide. Das gefällt aber nicht allen Eltern.

Für problematisch hält Khorchide es, dass nicht alle Lehrkräfte islamische Religionslehre als eigenständiges Fach studiert haben. Das Studium wird in NRW an der Universität Münster erst seit 2012 angeboten. Das Fach unterrichten laut Khorchide sehr viele Seiteneinsteiger, die ein Zertifikat hätten. „Die Lehrkräfte machen tolle Arbeit. Einige bringen allerdings eigene unreflektierte Vorstellungen vom Islam mit, und diese können auch durchaus eher streng religiös sein“, sagte Khorchide.

Es gebe nämlich auch Beschwerden eher liberaler muslimischer Eltern, wenn ein Religionslehrer von einer Kopftuch-Pflicht für Mädchen spreche. „Es gibt eine Liste an Fragen, bei denen es unterschiedliche Positionen gibt: neben dem Kopftuch sind das etwa das Thema Tanzen und Musik oder Homosexualität.“

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Khorchide beobachtet, dass einige Religionslehrer insbesondere Themenfelder die Sexualität betreffend eher meiden, aus Angst vor Konflikten mit Eltern, aber auch aus Angst vor Konflikten mit den Islamverbänden, die in der Kommission zur Erteilung von Lehrerlaubnissen sitzen. Diese könnten Lehrkräften theoretisch die Lehrerlaubnis entziehen. „Die großen Verbände vertreten nur eine Minderheit der Muslime“, betont Khorchide. „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Raum für liberale Positionen gibt.“

Wie die Konflikte am Gymnasium in Eschweiler aussehen, seit es dort islamischen Religionsunterricht gibt, lesen Sie hier:

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