Umgang mit Antisemitismus Islamkonferenz unter schwierigen Vorzeichen
Umgang mit Antisemitismus
Umgang mit Antisemitismus Islamkonferenz unter schwierigen Vorzeichen
Seit dem Terrorangriff der Hamas wird verstärkt über muslimischen Antisemitismus diskutiert. Er wirft auch Schatten auf die hiesigen Moscheegemeinden und Verbände. Repräsentativ sind diese jedoch nicht.
Vor knapp einem Jahr lud Innenministerin Nancy Faeser zur ersten Islamkonferenz dieser Legislaturperiode ein. Ihre Perspektive formulierte sie mit deutlichen Worten: "Ich will die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach Deutschland schrittweise reduzieren mit dem Ziel, sie zu beenden."
Zudem erklärte die SPD-Politikerin, in welche Richtung sie hierbei zu schauen gedenkt: "Die Entsendung von Imamen nach Deutschland ist insbesondere ein Thema, das die Türkei betrifft."
Antisemitische Hetze aus dem Religionsministerium
In der Tat kommen die meisten ausländischen Vorbeter hierzulande aus der Türkei: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums schickt das türkische Amt für religiöse Angelegenheiten - kurz: Diyanet - zurzeit etwa 1.000 sogenannte Religionsbedienstete nach Deutschland. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist in Gemeinden des Moscheeverbandes DITIB tätig. "Im mittleren beziehungsweise niedrigen zweistelligen Bereich" aber auch in der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs sowie dem Verband ATIB, der laut Verfassungsschutz in Verbindung zu den rechtsextremistischen "Grauen Wölfen" steht.
Oberster Dienstherr dieser rund 1.000 Imame ist Ali Erbas. Der 62-jährige Präsident des türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten ist ein enger Gefolgsmann von Recep Tayyip Erdogan. Zudem hetzt der islamische Theologe - ähnlich wie der türkische Staatspräsident - gerne gegen Israel. So sagte er in seiner ersten Freitagspredigt nach dem schweren Angriff der terroristischen Hamas: "Wie ein rostiger Dolch, der im Herzen des muslimischen Bodens steckt, hat Israel in den von ihm besetzten Ländern auf alle Arten von Unterdrückung gegen Muslime zurückgegriffen."
Deutsche Islamkonferenz
Die Deutsche Islamkonferenz ist das zentrale Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslimen. Sie besteht seit 2006. Ergebnisse waren bisher etwa der Aufbau islamischer Theologieseminare an deutschen Universitäten, Initiativen für die Ausbildung von Imamen in Deutschland und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden.
Mitglieder der Islamkonferenz sind unter anderen die Islamverbände, die den Großteil der Moscheen in Deutschland unterhalten, sowie Musliminnen und Muslime aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Abgrenzung von Ankara gefordert
Die DITIB in Deutschland verurteilte den Antisemitismus ihres theologischen Oberhauptes in Ankara nicht. Auch ihre Stellungnahme zum Terrorangriff der Hamas kam nur zögernd, womit sie sich in die halbherzigen Verlautbarungen anderer islamischer Verbände einreihte. "Ich hätte erwartet, dass da eine eindeutige Positionierung zum Terror stattfindet", betont Lamya Kaddor, Bundestagsabgeordnete der Grünen und Mitglied im Liberal-Islamischen Bund, gegenüber der SWR. Wünschenswert für sie wäre gewesen, wenn die islamischen Verbände zu Friedensgebeten, gemeinsamen Demonstrationen oder Mahnwachen aufgerufen hätten - und zwar direkt nach dem Angriff der Hamas.
Ausfälle wie die des Diyanet-Präsidenten machen deutlich, was gemeint ist, wenn zurzeit von muslimischem Antisemitismus die Rede ist. Deshalb plädierte Eren Güvercin, Journalist und Mitglied der muslimischen "Alhambra Gesellschaft", im Deutschlandfunk für einen unmissverständlichen Umgang mit der DITIB. Immerhin betreibe der Verband die mit Abstand meisten Moscheen in Deutschland: "Dieser Ali Erbas ist die religiöse Autorität der deutschen DITIB. Und meine Forderung an die deutsche Politik ist, die DITIB damit zu konfrontieren, sich von dieser antisemitischen Hetze ihrer religiösen Autorität in Ankara zu distanzieren."
Moscheeverbände nicht repräsentativ
Kaddor weist zudem daraufhin, dass die islamischen Verbände, die von der Politik gerne als Ansprechpartner und Gradmesser für das muslimische Leben in Deutschland angesehen werden, nur einen kleinen Teil der Community repräsentieren. Denn der Islam kenne - anders als die christlichen Kirchen in Deutschland - keine Pflichtmitgliedschaft in einer Organisation.
Bereits der langjährige Leiter der Deutschen Islamkonferenz, Ex-Innenstaatssekretär Markus Kerber, hatte darauf hingewiesen, dass nur eine Minderheit der hiesigen Muslime in den Moscheeverbänden organisiert sei: "Nimmt man die Besucherzahlen in den knapp 2.200 Moscheen Deutschlands an einem Freitag, dann kommt man auf eine Repräsentativität von vielleicht 25 Prozent." Es bleibe daher die große integrationspolitische Frage, wer die nicht durch die Verbände repräsentierten Bürger mit muslimischem Hintergrund vertrete.
Muslime in Deutschland säkularer als die Verbände?
Darüber hinaus macht die Frankfurter Uniprofessorin Susanne Schröter gegenüber dem SWR aufmerksam, dass die tief konservative Religiosität der islamischen Verbände möglicherweise gar nicht typisch für die hiesigen Muslime sei: "Gerade in Deutschland kann man davon ausgehen, dass doch viele Muslime sehr säkular sind und eher wenig zu tun haben wollen auch mit diesen Verbänden." Allerdings seien sie kaum organisiert. Das bilde ein Dilemma für die Politik. Gleichwohl müsse diese aber alle Anstrengungen unternehmen, Kontakt zur gesamten Bandbreite der islamischen Community aufzunehmen.
Für die Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam ist deshalb wichtig, "dass man die Verbände nicht immer so hofiert und denen nicht alles durchgehen lässt". Gleichzeitig gelte es, so Schröter, seitens der Politik zu signalisieren, "dass all diejenigen, die auch in diesen Verbänden sind und die sich vom Ausland ablösen wollen, die nicht einverstanden sind mit solchen Sprüchen wie denen von Ali Erbas, eine Möglichkeit haben, sich auch selbst zu organisieren und dabei auch Unterstützung zu erfahren". So gesehen dürfte die Deutsche Islamkonferenz noch eine ziemliche Wegstrecke vor sich haben.
Player: audioDeutsche Islamkonferenz: Ditib, islamische Verbände und Antisemitismus