Arbeiten im Ramadan: Eine Frage der gegenseitigen Rücksichtnahme und des Respekts
Der Ramadan ist nun ein paar Tage alt, fastende Muslime dürften sich längst auf den neuen Tagesrhythmus eingestellt haben. Nicht so leicht ist es für vor allem in Vollzeit berufstätige Menschen, die Fastenzeit und das Berufsleben gut aufeinander abzustimmen. Wenn sich Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen einander entgegenkommen, klären sich mögliche Probleme bereits im Vorfeld. Wichtig dafür: eine gute Kommunikation und eine gesunde Selbsteinschätzung.
Jahr für Jahr dürfen sich Muslime in der Fastenzeit immer wieder aufs Neue sich wiederholende Fragen anhören. „Auch kein Wasser, nicht mal ein Schluck?“ oder „Ist das denn nicht ungesund?“ sind zu Klassikern mutiert. Nicht sehr viel anders ist es am Arbeitsplatz, ob im Büro, der Apotheke oder auf der Baustelle, wobei sich inzwischen eine Verbesserung beobachten lässt. Das könnte an den Sozialen Medien liegen, in denen viele Muslime Aufklärungsarbeit betreiben, die mitunter ins Satirische geht. Aber auch das ernsthafte Interesse der „Mehrheitsgesellschaft“ und die Einsicht, dass die eingangs erwähnten Fragen nicht alle Jahre aufs Neue gestellt werden können, dürften zu dieser Entwicklung beigetragen haben.
Ein ernsthaftes Interesse ist nicht nur am Arbeitsplatz geboten, sondern generell in der Gesellschaft. Auch wenn die Religionszugehörigkeit in Deutschland Privatsache ist, weiß man meist schon zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses, ob die eingestellte Person muslimisch ist oder nicht. Das wird entweder am Namen deutlich, an äußerlichen Merkmalen oder an den ersten Gesprächen. Falls dem nicht so sein sollte, kann der Chef oder die Chefin dies in einem freundlichen und höflichen Ton erfragen. Anlässe dafür sollte es zu Genüge geben, einer davon ist der Ramadan. Wer das dieses Jahr verpasst hat, macht es in den kommenden Jahren vielleicht besser.
Nicht alle Muslime fasten
Dies gebietet die gegenseitige Rücksichtnahme und der gegenseitige Respekt. Jeder Mensch hat schließlich verschiedene Glaubensgrundsätze, Verhaltensweisen, Erwartungen und Bedürfnisse. Wichtig in dem Zusammenhang ist auch: So wie nicht jeder Christ sonntags in die Kirche geht, fastet nicht jeder Muslim im Ramadan automatisch. Man sollte aus Arbeitgebersicht also nicht von vornherein davon ausgehen. Ein Gespräch ist die beste Methode, um es herauszufinden. Aber auch für Angestellte ist es nicht verboten, die Gesprächsinitiative zu ergreifen und auf die eigenen Bedürfnisse hinzuweisen.
Klar ist es nicht möglich, jedem und allem gerecht zu werden. Es ist aber auch nicht so, dass fastende Muslime im Ramadan unbedingt eine Extra-Behandlung brauchen. Viele haben bereits im Kindesalter damit begonnen und haben sich über die Jahre daran gewöhnt. Wer mit Mitte 20 ins Berufsleben einsteigt, hat also bestenfalls um die zehn Jahre Ramadan-Erfahrung gesammelt. In der Schule, der Uni, beim Sport oder Aushilfsjob wird schließlich auch gefastet. Auch wenn diese Bereiche sicherlich nicht mit einem Vollzeitjob zu vergleichen sind, so stellen sie doch eine Herausforderung dar, die die fastende Person auf schwierigere Aufgaben vorbereitet (hat). Ohnehin dauert es meist nur ein bis zwei Tage, bis sich der Körper umstellt, zudem ist es für die meisten auch nach ein paar Jahren Übung auch eher eine Kopfsache.
Zeitumstellung fiel dieses Jahr in den Ramadan
Fällt der Fastenmonat, der durch den islamischen Mondkalender bedingt durchs Jahr wandert und jedes Jahr zu einem früheren Zeitpunkt startet, nicht in die Sommermonate, bringt das weitere Vorteile mit sich. Schließlich findet das Fastenbrechen dann früher statt, da die Sonne nicht so spät untergeht. Dieses Jahr gab es eine Besonderheit, da nach drei Ramadan-Tagen auf die Sommerzeit umgestellt wurde. Während in Deutschland die Sonne am Anfang also im Schnitt etwa um 19 Uhr unterging, müssen Fastende sich aktuell bis ca. 20 Uhr gedulden. Am Ende des Ramadan in rund drei Wochen wird sich das Fastenbrechen um etwa eine halbe Stunde nach hinten verschoben haben. Kennt man diese groben Eckdaten, erleichtert das für beide Seiten den Alltag. Übrigens: Die meisten Muslime haben entgegen weitläufigen anderslautenden Mutmaßungen kein Problem damit, wenn in ihrer Gegenwart gegessen oder getrunken wird, solange das kein provozierendes Ausmaß annimmt.
Wie kann das angesprochene Entgegenkommen aussehen? Wo es möglich ist, könnten die Arbeitszeiten angepasst werden. Gegen ein wenig mehr Schlaf ist aus Sicht eines fastenden Menschen, der sich um 4:30 frühmorgens für den Tag stärkt, sicherlich nichts einzuwenden. Auf der anderen Seite sollte sich jemand, der oder die zum Beispiel als Arzt oder Ärztin tätig ist, selbst gut einschätzen können. Bin ich in der Lage, auch nach zwölf Stunden Verzicht auf Essen und Trinken eine lebensnotwendige Operation durchzuführen? Gibt es Zweifel, sollte nicht auf das Essen und Trinken, sondern auf das Fasten verzichtet werden. Es kann schließlich auch nachgeholt werden. Das muss jeder und jede Gläubige für sich entscheiden. Muslime haben in der Regel Gottvertrauen und glauben daran, dass mit jeder Schwierigkeit auch eine Erleichterung einhergeht (Koran, Sure 94, Verse 5-6). Weitere konkrete, die (arbeits-)rechtliche Ebene betreffende Aspekte rund um den Ramadan sind in diesem Beitrag übersichtlich zusammengefasst.
Warum nicht ein gemeinsames Fastenbrechen mit dem Team?
Abgesehen von den oben genannten Punkten eignet sich die islamische Fastenzeit auch übrigens optimal fürs Teambuilding. Wer muslimische Mitarbeitende beschäftigt, sollte es ernsthaft in Erwägung ziehen, ein gemeinsames Essen zum Fastenbrechen zu planen, ein sogenanntes Iftar. Wenn das schon in der Weihnachtszeit klappt, warum nicht dann auch im Ramadan?