Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland zahlreiche antisemitische und antimuslimische Straftaten verübt.
Laut einer Studie des Sachverständigenrates für Integration und Migration sitzen feindselige Einstellungen tief.
Noch immer sind antimuslimische sowie antisemitische Einstellungen in Deutschland weit verbreitet. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie des Sachverständigenrats (SVR) für Integration und Migration hervor. Betroffene Gruppen unterscheiden sich demnach sowohl nach ihrer Herkunft als auch nach persönlichen Diskriminierungserfahrungen.
»Für eine vielfältige Gesellschaft sind antimuslimische und antisemitische Einstellungen ein großes Problem«, sagte Jan Schneider, Leiter des wissenschaftlichen Stabes des SVR. »Sie gefährden den sozialen Zusammenhalt und führen im schlimmsten Fall zu Gewalt.« Schneider verwies dabei auf die hohe Zahl registrierter islamfeindlicher und antisemitischer Straftaten in Deutschland. Dies unterstreiche den bestehenden Handlungsbedarf.
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Wer Personen anderer Herkunft kennt, hat weniger Ressentiments
Allerdings sind der Studie zufolge Menschen mit Migrationshintergrund, die in Deutschland die Schule besucht haben, seltener antisemitisch oder antimuslimisch eingestellt als jene, die in einem anderen Land zur Schule gegangen sind. »Auch bei Menschen, die regelmäßig Kontakt zu Personen anderer Herkunft haben, sind Ressentiments deutlich seltener«, sagt Co-Autorin Nora Storz. Ebenso äußerten sich Befragte mit und ohne Migrationshintergrund, die Menschen mit anderer Herkunft in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis haben, seltener antimuslimisch als andere.
Insgesamt haben laut SVR Ressentiments gegenüber Musliminnen und Muslimen in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland abgenommen, sind jedoch weiterhin erkennbar. Noch größer sei die Skepsis gegenüber dem Islam als Religionsgemeinschaft an sich. »Das gilt vor allem für Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht selbst dem muslimischen Glauben angehören«, sagte Storz. »Nur knapp 43 Prozent von ihnen sagen, dass der Islam in die deutsche Gesellschaft passt.« Von den Befragten ohne Migrationshintergrund stimme dagegen mehr als die Hälfte dieser Aussage zu.
Der Studie zufolge nehmen Menschen mit Migrationsgeschichte auch häufiger eine antisemitische Haltung ein als Menschen ohne diesen Hintergrund. »Nach Auswertung der Daten gehen wir davon aus, dass antisemitische Einstellungen unter türkeistämmigen Musliminnen und Muslimen zum Teil religiös-theologisch begründet sind. Die Haltung von arabischstämmigen Zugewanderten ist dagegen eher auf das politisch-gesellschaftliche Narrativ im Herkunftsland zurückzuführen«, erklärte Co-Autor Nils Friedrichs.
Wer selbst diskriminiert wird, ist häufiger antisemitisch eingestellt
Bei der zweiten Gruppe spiele dabei »der Nahostkonflikt eine nicht unbedeutende Rolle«, so Friedrichs. Außerdem »neigen Menschen mit Migrationshintergrund, die sich aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert fühlen, häufiger zu antisemitischen Einstellungen als Menschen, die eine solche Diskriminierung nicht erfahren haben«. Er hob hervor, diese Erkenntnisse seien wichtig für die notwendige Präventionsarbeit.
»Um Vorurteile gegenüber anderen abbauen zu können, ist der Kontakt von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion besonders wichtig«, sagte Schneider. »Der interkulturelle und interreligiöse Austausch sollte deshalb vor allem mit Hilfe niedrigschwelliger Angebote etwa auf kommunaler Ebene gefördert werden, gerade unter jungen Menschen«, sagte er. Auch die Religionsgemeinschaften könnten wichtige Beiträge leisten.
Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, nannte die hohe Zustimmung zu klassisch antisemitischen Einstellungen bei türkeistämmigen Befragten »besonders besorgniserregend«. Ebenfalls sehr bedenklich sei, dass »etwa ein Drittel der Befragten über alle Gruppen hinweg der Meinung ist, dass die Religionsfreiheit für Muslim*innen eingeschränkt werden« müsse. »Solchen Haltungen müssen wir entgegenwirken«, sagte Ataman.