«Keine Nachsicht»: Rockergang «Osmanen Germania» verboten
Berlin (dpa) Gewalt-Kult, Erpressung, Drogenhandel, Zwangsprostitution und politische Verbindungen in die Türkei: Die Polizei hatte die Rockergruppe «Osmanen Germania» lange im Visier. Jetzt greift die Bundesregierung durch.
Von Frank Christiansen, dpa
Mitglieder der Rockergruppe «Osmanen». Foto: Boris Roessler/Illustration
Ihre Kutten sehen denen der «Hells Angels» auffällig ähnlich. Im Internet posiert die Rockergruppe «Osmanen Germania BC» martialisch, muskelbepackt und schwer bewaffnet. Sie präsentiert sich als türkische Antwort auf die «Hells Angels».
Nur mit dem Motorradfahren hat man es nicht so: Offiziell gibt man sich als Boxclub aus. So schnell wie der Club wuchs, so schnell wuchs auch die Zahl der Straftaten, die auf das Konto seiner Mitglieder gehen sollen. Am Dienstag zog Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Notbremse und sprach ein bundesweites Verbot der Rockergruppe aus. «Wer den Rechtsstaat ablehnt, kann von uns keine Nachsicht erwarten», sagte Seehofer in Berlin. Von dem Rockerclub gehe eine Gefahr für die Allgemeinheit aus.
Der Verein behauptete, Jugendliche «von der Straße holen» zu wollen. Tatsächlich sei er durch gewalttätige Gebiets- und Machtkämpfe aufgefallen, so die Bundesregierung. Mit Razzien in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen wurde das Verbot am Dienstag durchgesetzt und Vereinsvermögen beschlagnahmt. In Nordrhein-Westfalen, einer Hochburg der Osmanen-Rocker, wurden lediglich Verbotsverfügungen und Sicherstellungsbeschlüsse überreicht.
2014 oder spätestens 2015 wurde der «Osmanen Germania BC» in Hessen gegründet und galt zeitweise als am schnellsten wachsende Rockergang in Deutschland. Zuletzt wurden 16 Chapter mit mindestens 300 Osmanen-Rockern bundesweit gewählt. «Osmanen Germania» nimmt im Namen Bezug auf eine einstige Dynastie, benannt nach dem türkischen Fürsten Osman, der um 1300 in Anatolien herrschte.
Bereits im März war die Polizei gegen die Rockergruppe massiv vorgegangen. Mehr als 1000 Polizisten waren in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Hessen im Einsatz. Sie durchsuchten knapp 60 Objekte und stellten Beweismaterial sowie Waffen und Drogen sicher. Die dabei gesammelten Beweise hätten dazu gedient, das nun ausgesprochene Verbot rechtlich zu unterfüttern, heißt es nun aus dem Bundesinnenministerium.
Nach Einschätzung mehrerer Bundesländer stehen die Rocker der türkischen Regierungspartei AKP von Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nahe. Medienberichten zufolge sollen sie aus politischen Kreisen der Türkei auch finanziell unterstützt worden sein. Zudem trat die Rockergruppe bei regierungsnahen türkischen Organisationen in Deutschland als Veranstaltungsschutz auf.
In Stuttgart läuft seit März ein Prozess gegen acht mutmaßliche Mitglieder, darunter drei, die zur höchsten Führungsebene gerechnet werden. Den Männern wird unter anderem versuchter Mord, Erpressung, Drogenhandel, Zwangsprostitution, Freiheitsberaubung und Zuhälterei vorgeworfen.
In Baden-Württemberg kam es daneben auch zu Auseinandersetzungen zwischen der nationalistischen «Osmanen Germania» und der kurdischen Gruppe «Bahoz». Osmanen-Chef Mehmet Bagci und sein Stellvertreter kamen in Untersuchungshaft.
Bei Razzien in NRW ging es unter anderem um Geldwäsche, Urkundenfälschung, Erpressung und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Dort wurde im Februar der frühere «Präsident» des Wuppertaler Chapters der «Osmanen Germania» bei bei einem nächtlichen Polizeieinsatz erschossen. Ein SEK-Beamter soll das Handy des 43-jährigen Rockers in der Dunkelheit für eine Waffe gehalten haben. Worum es bei dem Einsatz ging, will die Staatsanwaltschaft noch immer nicht verraten.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte berichtet, die Aktivitäten der Osmanen richteten sich auch gegen die PKK, linksextreme Türken und die Gülen-Bewegung. Belegt seien Kontakte von Osmanen-Führern zu Beratern von Präsident Erdogan. Die Gruppierung vertrete türkisch-nationalistische und rechtsextremistische Positionen. Entsprechend gebe es auch Verbindungen zu den vom Verfassungsschutz beobachteten «Grauen Wölfen», einer rechtsextremen türkischen Gruppe.