Roth kritisiert „ekelhaften offenen Antisemitismus“ in Teilen der Linken

Von; Welt

 

Die Berlinale-Preisverleihung sei „zum Teil unerträglich“ gewesen, sagt Claudia Roth. Zudem konstatiert die Kulturstaatsministerin bei gewissen „Linksradikalen“ offene Judenfeindlichkeit. Die Politikerin sprach im Interview auch über die Zukunft der Kunstschau Documenta.

 

 

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                                       Roth kritisiert „ekelhaften offenen Antisemitismus“ in Teilen der Linken © dpa/Monika Skolimowska

 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat Teilen der politischen Linken Judenhass vorgeworfen. „Es gibt bei Linksradikalen diesen ekelhaften offenen Antisemitismus“, sagte die Grünenpolitikerin dem Magazin „Spiegel“ nach dem Eklat bei der Berlinale am vergangenen Wochenende.

Tiefpunkt der Preisverleihung sei der Auftritt des US-Filmemachers Ben Russell gewesen, urteilte die Grünenpolitikerin nun. Der Regisseur hatte Israel einen Genozid an den Palästinensern vorgeworfen. „Das hat, bei allem Mitgefühl für das Leid der Zivilisten, nun wirklich nichts mit der Situation im Gazastreifen zu tun“, sagte Roth. Und weiter: „Russells Auftritt war unerträglich.“

Die Verantwortung für die „missglückte und zum Teil unerträgliche Preisverleihung“ sieht die Kulturstaatsministerin bei der Berlinale-Leitung. „Es hätte eine ganz andere und bessere Vorbereitung geben müssen, wie man mit entsprechenden Aufritten umgeht, das nicht stehen lässt und wer das vonseiten der Berlinale tut“, kritisierte Roth.

Die 68-Jährige verteidigte auch ihre eigene, viel kritisierte Passivität bei der Verleihung. Roth saß im Publikum. Dazu erklärte sie nun: „Ich tue mich sehr schwer mit der Vorstellung, dass bei einem internationalen Filmfestival, einer Kulturveranstaltung, bei der die Berlinale die Gastgeberin ist, Vertreterinnen und Vertreter von Bund und Land und damit des Staates intervenieren.“

Forderungen an die Documenta-Macher

Skeptisch äußerte sich Roth im „Spiegel“ zur Idee, staatliche Förderungen an Kulturinstitutionen von einer Antisemitismusklausel abhängig zu machen. „Man hat es ja in Berlin gesehen. Kultursenator Joe Chialo, den ich sehr schätze, musste die Antisemitismusklausel wegen rechtlicher Bedenken zurückziehen“, sagte die Grünenpolitikerin. Der so notwendige Kampf gegen Antisemitismus dürfe nicht dazu führen, „dass der Staat in eine Rolle kommt zu sagen, welche Kunst und Kultur sein darf und welche nicht.“

Zuversichtlich hingegen zeigte sich Roth hinsichtlich der Zukunft der Kunstschau Documenta in Kassel. Die Documenta 15 fand im Sommer 2020 statt und war von Antisemitismusvorwürfen überschattet. Die Ausstellung wird vom Land Hessen, der Stadt Kassel und dem Bund getragen.

„Die Documenta wird nach meiner Einschätzung wie geplant 2027 stattfinden«, sagte sie dem „Spiegel“. Die Kunstschau steht gegenwärtig ohne Führung da, nachdem die alte Findungskommission im vergangenen November zurückgetreten war.

Zuletzt gab es Spekulationen, dass die Kunstausstellung, die als eine der wichtigsten der Welt gilt, verschoben werde oder gar ausfallen könnte.

Eigentlich sollte die neue Leitung bereits Anfang dieses Jahres bestimmt werden. „Es ist notwendig, sich erst über eine neue Struktur zu verständigen, bei der wir die Fehler der letzten Documenta berücksichtigen“, machte Roth via „Spiegel“ weiter publik. „Ohne neue Struktur wird es von uns kein Geld geben.“