So viele Menschen wie nie stellen Anfragen wegen Diskriminierung

Artikel von Serafin Reiber Der Spiegel

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bekommt immer mehr zu tun. Im vergangenen Jahr haben sich so viele Menschen beraten lassen wie nie zuvor – vor allem wegen Erfahrungen mit Rassismus.

 

 So viele Menschen wie nie stellen Anfragen wegen Diskriminierung

 So viele Menschen wie nie stellen Anfragen wegen Diskriminierung © Michael Kappeler / dpa

So viele Menschen wie noch nie zuvor haben sich bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldet, um eine Beratung anzufragen. Das geht aus dem Jahresbericht der Institution hervor. Demnach gab es im vergangenen Jahr 8800 Anfragen. Das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahr und fast doppelt so viele wie 2019.

»Immer mehr Menschen nehmen Diskriminierung nicht hin. Das belegen die Zahlen ganz deutlich. Wir haben deutlich mehr Anfragen, als wir entgegennehmen können«, sagte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung und Leiterin der Stelle, Ferda Ataman. Sie geht allerdings von einer Vielzahl an Diskriminierungen aus, die nie gemeldet würden.

Am häufigsten wandten sich Menschen an die Beratungsstelle wegen rassistischer Diskriminierung. 43 Prozent der Anfragen bezogen sich auf diese Vorfälle. In 27 Prozent der Fälle ging es um Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung, in 21 Prozent wegen des Geschlechts. Jede zehnte Anfrage bezog sich auf Benachteiligungen wegen des Alters.

Die meisten Ratsuchenden berichteten von Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, rund 27 Prozent. 20 Prozent der Menschen wurden bei sogenannten Alltagsgeschäften diskriminiert, zum Beispiel bei der Wohnungssuche, aber auch beim Restaurantbesuch, beim Einkaufen oder in Bus und Bahn.

Seit 2006 berät die Antidiskriminierungsstelle Betroffene; Grundlage ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes. Es geht um Diskriminierung rassistischen, ethnischen, geschlechtlichen oder religiösen Gründen. Die Stelle holt auch Stellungnahmen der Gegenseite ein und vermittelt gütliche Einigungen. Die Gesamtzahl der Anfragen bei der Antidiskriminierungsstelle hat sich über die Jahre kontinuierlich erhöht.

Die Beauftragte bekräftigte ihre Forderung, das Gleichbehandlungsgesetz zu reformieren. Es sei das schwächste in Europa. Länder wie Serbien, aber auch Frankreich, Großbritannien, Nordirland oder die skandinavischen Länder seien da weiter. Kein Land in der EU habe »weniger staatliche Kompetenzen, Menschen bei Diskriminierungen zu helfen, als Deutschland«.

Ataman will auch die Diskriminierung durch künstliche Intelligenz im Blick behalten. Um die liberale Demokratie zu stärken, riet Ataman der Ampelkoalition, nicht aus jedem Gesetzentwurf einen Kulturkampf zu machen.