Seehofer und Haldenwang stellen Verfassungsschutzbericht vor

dpa

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will den Kampf gegen den Rechtsextremismus in Deutschland verstärken. Unter seinen Vorgängern sei in diesem Bereich bereits viel passiert.

© Foto: Monika Skolimowska Sieht Verbesserungsbedarf bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland: Innenminister Horst Seehofer.

«Aber ich möchte jetzt nicht behaupten, dass alles Menschenmögliche getan wurde», sagte Seehofer am Mittwochabend in der ARD. Der Minister stellt an diesem Donnerstag mit Behördenchef Thomas Haldenwang den neuen Verfassungsschutzbericht vor.

Seehofer wertete den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erneut als Alarmsignal für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der 45-jährige mutmaßliche Rechtsextremist Stephan E. hat die Tat gestanden, er sitzt in Untersuchungshaft. Bestätigt sich der Tatverdacht, wäre das der erste rechtsextreme Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik.

Laut Seehofer gibt es zurzeit etwa 24 000 bis 25 000 Rechtsextremisten im Land. Die Hälfte sei definitiv gewaltbereit. «Und 12 000 gewaltbereite Menschen so zu überwachen, dass alles vermieden wird, ist kaum möglich», sagte er. Man könne keine absolute Sicherheit versprechen. «Aber das Menschenmögliche müssen wir machen.» Dazu zähle eine bessere Ausstattung der Polizei, aber auch die Prüfung, welche Organisationen verboten werden könnten.

Nach einem Bericht der «Welt» gab es im vergangenen Jahr 24 100 Rechtsextremisten in Deutschland. Für 2017 war der Inlandsgeheimdienst von 100 Rechtsextremisten weniger ausgegangen. Die Zahl der Islamisten lag bei 26 560 Personen, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten, nach 25 810 im Jahr davor.

Deutschland stehe «unverändert im Zielspektrum von dschihadistischen Organisationen», heißt es demnach im Bericht. Sowohl für das Bundesgebiet als auch für deutsche Interessen in verschiedenen Regionen der Welt bestehe «eine anhaltend hohe Gefährdung». Es sei eine Reihe von «Anschlagsplanungen in unterschiedlichen Vorbereitungsstadien» aufgedeckt worden.

Zu den Feindbildern der Rechtsextremen gehörten Ausländer, Asylbewerber und Muslime, aber auch Politiker, berichtet die «Welt» aus dem Bericht. 12 700 Rechtsextreme, also mehr als die Hälfte von ihnen, gelten dem Bericht zufolge als «gewaltorientiert». Diese Zahl ist im Vergleich zum Jahr 2017 konstant geblieben.

Die politisch rechts motivierten Straftaten gingen dem Bericht zufolge leicht auf 20 431 zurück. Dem steht jedoch im Vergleich zum Jahr 2017 ein Zuwachs der registrierten Gewaltstraftaten und Propagandadelikte gegenüber. So steig die Zahl rechtsmotivierter Gewalttaten um 2,3 Prozent auf 1156. Es gab sechs versuchte Tötungen, nach vier im Jahr 2017. Bei den Propagandadelikten kletterte die Zahl dem Bericht zufolge um 4,6 Prozent auf 12 582 Fälle.

«Die im Verfassungsschutzbericht öffentlich gemachten Zahlen sind schockierend», erklärte der stellvertretende SPD-Chef Ralf Stegner. «Der Verfassungsschutzbericht zeigt: Der größte Feind unserer Demokratie steht rechts.» Die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Nach den Morden der NSU-Terroristen haben alle versprochen, dass härter gegen diese Bedrohung vorgegangen wird. Jetzt stehen wir vor der Frage, ob die Sicherheitsbehörden wieder etwas übersehen haben.»

Mit Blick auf den Mordfall Lübcke forderte der CDU-Innenexperte Armin Schuster, auch Extremisten zu überwachen, die länger nicht auffällig geworden sind. Nach jetziger Gesetzeslage könne man einen Bürger, der seine Strafe lange verbüßt hat, nicht anlasslos unter Dauerüberwachung stellen, sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Frühere Einträge müssen nach Ablauf bestimmter Fristen gelöscht werden, damit eine radikale Vergangenheit Menschen nicht auf ewig anhängt.

Stefan E. war zwar vielfach vorbestraft und hatte Verbindungen zu Rechtsextremisten. In den vergangenen Jahren war er aber vom Radar der Verfassungsschützer verschwunden. Dass sich doch noch ein Akteneintrag zu ihm fand, liegt mit einem Lösch-Moratorium für Akten im Zusammenhang mit der Mordserie des «Nationalsozialistischen Untergrunds» (NSU) zu tun.