„Religion wird instrumentalisiert“ – Zentralrat der Muslime zu Krieg in Nahost und Rassismus in Deutschland
Rassismus und Antisemitismus
„Religion wird instrumentalisiert“ – Zentralrat der Muslime zu Krieg in Nahost und Rassismus in Deutschland
Der Zentralrat der Muslime beklagt im Zuge des Kriegs in Israel und Gaza eine neue „Welle des Rassismus in Deutschland“. Der Verband ruft zu religionsübergreifender Begegnung auf.
Berlin – Im Zuge des ersten Jahrestags des Terrorangriffs der Hamas auf Israel kam es am Montag in Deutschland zu etlichen Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen. In Israel und Gaza markierte der 7. Oktober ein neues Kapitel der Gewaltspirale. Und auch in Deutschland sind die Spannungen in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen. Antisemitische Vorfälle waren an der Tagesordnung. Ebenso stiegen Ressentiments gegen Muslimas und Muslime. Der Zentralrat der Muslime klagt das an – und ruft zur Versöhnung auf.
Krieg in Nahost mit negativen Folgen auch für Leben in Deutschland
„Wir nehmen wahr, dass die negative Stimmung sehr deutlich zugenommen hat“, sagt Samir Bouaissa, Vorstandsmitglied des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), zu IPPEN.MEDIA. „Als Muslime erfahren wir derzeit eine neue und erschreckende Welle des Rassismus in Deutschland. Unsere Mitglieder geben uns vielfach zu verstehen, wie schmal der Grat für Muslime mittlerweile geworden ist.“
Während der muslimische Verband steigenden Rassismus beklagt, schilderte Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, im Rahmen des Jahrestags auch für Jüdinnen und Juden eine bittere Situation in der Bundesrepublik: „Es gibt kaum einen Anlass, um an eine Verbesserung der Situation zu denken“, sagte Schuster am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin. Er beschrieb die vergangenen zwölf Monate als ein Jahr, „in dem es eine Explosion antisemitischer Straftaten bis hin zu vereinzelten Anschlägen gab; ein Jahr, in dem antisemitische Vorfälle an der Tagesordnung waren“.
Religionen werden in Nahost instrumentalisiert
Bouaissa vom ZMD sieht in der Eskalation im Nahen Osten die Religionen des Islam und des Judentums missbraucht: „In erster Linie handelt es sich hier um einen völkerrechtlichen Konflikt zwischen zwei Völkern, der nur politisch und diplomatisch zu lösen ist. Es handelt sich nicht um einen Konflikt der Religionen“, so das Vorstandsmitglied. „Religion wird hier von verschiedenen Seiten aus unterschiedlichen Interessenlagen instrumentalisiert und leider viel zu oft als Rechtfertigung für das eigene Handeln beziehungsweise das eigene ‚Rechthaben‘ missbraucht.“
Der ZMD beobachte eine Herabsetzung muslimischen Lebens in Deutschland. „Reaktionen von Politik und Gesellschaft, aber auch von einigen Medien, vermitteln Muslimen in Deutschland einmal wieder das Gefühl, Menschen zweiter Klasse zu sein“, sagt Bouaissa. „Sie werden oft pauschal mit Extremismus in Verbindung gebracht und müssen gegen große Vorbehalte ankämpfen, genauer gesagt sich immer wieder distanzieren und erklären.“ So werden dem Verbandsmitglied zufolge gegenseitige Vorbehalte und Entfremdung verstärkt.
Gewalt verurteilen – egal von wem sie ausgeht
Der Zentralverband für Muslime spricht sich angesichts der teils düsteren Situation für jüdisches wie muslimisches Leben in der Bundesrepublik für mehr Zusammenhalt der Menschen und Religionen aus. „In Deutschland müssen wir – Muslime, Juden, Christen und Menschen aller Weltanschauungen – entschlossener als je zuvor gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit zusammenstehen“, sagt Bouaissa. Er will jede Form von Extremismus klar benennen und verurteilen – „unabhängig davon, von wem sie ausgeht – sei es von Muslimen, Juden oder Christen. Das fortgesetzte Wegschauen hat zehntausende Leben gekostet und die Welt für Juden und Muslime unsicherer gemacht. Dieser Spirale der Gewalt müssen wir entschlossen entgegentreten.“
Der Wuppertaler Samir Bouaissa spricht sich deshalb für mehr Raum für Begegnung und gegenseitiges Kennenlernen aus. „Denn nur wer einander kennen, verstehen und schätzen lernt, kann die Differenzen und möglichen Hass überwinden.“ Nur so könne friedliches und respektvolles Miteinander gestärkt werden. „Es ist unser Ziel, auch weiterhin mit Empathie aufeinander zuzugehen und den Dialog zu suchen und zu gestalten.“