Rassismus-Vorwürfe: Dasselbe in Blau

Artikel von Daniel Kothenschulte •

 

 

3D-Büste einer Figur aus Avatar.

3D-Büste einer Figur aus Avatar. © AFP

James Camerons Antwort auf Rassismus-Vorwürfe gegen „Avatar“ macht es nicht besser

Nun hat die Winnetou-Debatte also auch James Cameron und seinen zweiten „Avatar“-Film erreicht. Schon in unserer Filmkritik hatten wir auf die Problematik hingewiesen: „Unter dem Deckmantel der Kolonialismuskritik verwendet Cameron die Muster der alten Kavallerie-Western. Auch in diesem Genre war Hollywood Ende der 50er Jahre so weit, sich auch mal auf die Seite der ,edlen Wilden‘ zu stellen. Aber verlieren diese Klischees nun ihre Muffigkeit, nur weil man die indigenen Völker Amerikas durch Phantasiewesen auf einem fremden Planeten ersetzt?“

Nun, sie tun es so wenig, wie Karl Mays Typisierung der Apachen, so verklärend sie sich auch verstand, in einem deutschen Kinderfilm über den „jungen Winnetou“ frischer Wind eingehaucht werden könnte. Rund fünfeinhalb Millionen Mal wurde auf Twitter ein Beitrag des Navajo-Künstlers und Aktivisten Yuè Begay angesehen. Nach der Frage „Sie wollen den kolonial-verherrlichenden Blaue-Leute-Film nicht sehen?“ präsentiert er eine gut recherchierte Liste von Science-Fiction-Filmen indigener Filmemacherinnen und Filmemacher.

Es ist nicht nur die aus verschiedenen Kulturen kompilierte Melange spiritueller Naturverbundenheit, mit der in „Avatar: Way of the Water“ das „Indigene“ gleichgesetzt wird, das gerade Nutzer sozialer Netzwerke tausendfach empört. Es ist vor allem die von James Fenimore Cooper und Karl May in ihren Erzählungen bis hin zu populären Western wie „Der gebrochene Pfeil“ gepflegte Idee des „weißen Retters“. Auch da tut es wenig zur Sache, dass Held Sully seine weiße Identität schon im ersten Teil als Avatar zugunsten des Aussehens eines Na’vi abgelegt hat und danach zum Oberhaupt des Omaticaya-Clans aufgestiegen ist.

Es ist wie es ist: Cameron verwendet sorglos die alten, für ein westliches Publikum identifikationsstiftenden Narrative über wohlmeinende weiße Siedler oder Trapper, wie sie etwa James Stewart im alten Hollywood verkörperte. Wie Old Shatterhand kämpfen sie für die Unterdrückten – und bestätigen doch in ihrer Überlegenheit eine koloniale Hierarchie. Im Grunde ist Camerons Film selbst ein Avatar, der lediglich eine neue Farbe auf die alte Folie legt – dasselbe in Blau.

Disneys Haltung lässt staunen

Es gibt vieles in diesem Film zu bestaunen, wunderbare Wasserwelten und lyrische Tauch-Choreografien, aber das Drehbuch wird sicher für keinen Oscar nominiert. Erstaunlich, dass ein so auf Konsensfähigkeit bedachter Konzern wie Disney keine Probleme damit hatte. Jetzt befindet sich Cameron, wie er erklärt, in intensiven Verhandlungen, wie man das in den weiteren Fortsetzungen besser hinbekommt.

Bereits 2012 hatte sich der Regisseur, als ihm in einem Rechtsstreit vorgeworfen wurde, er haben die Idee zu „Avatar“ gestohlen, zu den indigenen Vorbildern bekannt: „Die amerikanischen Ureinwohner sind die Na’vi. Es ist gar nicht subtil gemeint.“

Und schon Anfang Dezember nahm er gegenüber dem Internetmagazin UNILAD zur Kolonialismus-Kritik Stellung: „Es könnte sein, dass mir einige Leute widersprechen werden. Ich hoffe, nicht. Ich hoffe, sie verstehen die Absicht, die darin liegt, die Hüter der Weisheit zu feiern. Für mich sind die indigenen Völker, die es heute noch in unserer Welt gibt, diejenigen Völker, die mehr mit der Natur verbunden sind als wir in unserer industrialisierten, urbanisierten Zivilisation, und wir müssen von ihnen lernen.“

So bekommt er seinen Hals natürlich nicht aus der Schlinge. Darin liegt ja gerade der Vorwurf des „positiven“ Rassismus. Vielleicht würden indigene Menschen ja auch gerne einmal mit etwas anderem als Naturverbundenheit und Spiritualität assoziiert werden. Aber die westlichen Mythenschmiede lassen sie da einfach nicht raus.