Großbritannien in Turbulenzen: Isolation und ideologische Verbohrtheit haben ihren Preis
Sebastian Borger
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Premierministerin Liz Truss ist nicht nur inkompetent, sondern steht auch für das Abdriften ihrer konservativen Partei.
In diesem Herbst vielfältiger Gefahren und schwerwiegender Probleme leistet sich Großbritannien Liz Truss im Amt der Premierministerin. Die Nachfolgerin des gescheiterten Boris Johnson im höchsten Partei- und Regierungsamt hat schon nach sechs Amtswochen abgewirtschaftet.
Gegen den Rat aller ernstzunehmenden Experten, angetrieben nur von ideologischer Blindheit und unbeschränkter Arroganz stürzten Truss und ihr enger Weggefährte Kwasi Kwarteng als Finanzminister die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt in ein ökonomisches Experiment.
Ein umfassendes Paket schuldenfinanzierter Steuersenkungen im Gesamtwert von 45 Milliarden Pfund (51,5 Milliarden Euro) brachte die Finanzmärkte gegen die Insel auf; das Pfund fiel in den Keller, Kreditzinsen für Häuslebauer schnellten in die Höhe, Milliarden-schwere Pensionsfonds schwankten bedenklich.
Die Staatsschulden sind schon außerordentlich hoch
Dabei liegt die Staatsschuld dem Statistikamt ONS zufolge schon jetzt bei 102,6 Prozent, mit steigender Tendenz. Deutlich mehr als andere Staaten der G7-Gruppe ist Großbritannien von auswärtigen Geldgebern abhängig und daher den Finanzmärkten ausgesetzt. Die Folgen müssen die schwer gebeutelten Briten ausbaden, durch teurere Importe, durch höhere Hauskreditzinsen, durch den geringeren Spielraum für dringend nötige Investitionen in die staatliche Infrastruktur.
Ihren Minister Kwarteng hat Truss gefeuert, sämtliche Steuersenkungen kassiert. An anderer Stelle aber geht der ideologische Kurs unbeirrt weiter: Als Antwort auf eine angekündigte Welle von Streiks bei Eisenbahnen und Hafenarbeitern, in Schulen und Krankenhäusern legt Truss dem Parlament ein neues Gesetz zur Beschneidung der Gewerkschaftsrechte vor. Im Streit um den Status von Nordirland plant die Regierung einen klaren Bruch des völkerrechtlich verbindlichen EU-Austrittsvertrages.
Viel zu überzeugt von der eigenen Bedeutung waren die Briten auch früher schon, fatale Wirtschafts- und Finanzpolitik haben auch andere Regierungen betrieben. Truss aber stellt den Gipfel der Inkompetenz dar, gleichzeitig die logische Konsequenz des Abdriftens ihrer Partei in Isolation und ideologische Verbohrtheit.
Sechs Jahre nach dem schwerwiegenden strategischen Fehler des EU-Austritts sind die Torys ideenlos und personell ausgelaugt. Wenn die Briten endlich aus ihrem Brexit-Fiebertraum erwachen, steht ihnen ein schmerzhaftes Erwachen bevor.