Situation von Intellektuellen mit Migrationshintergrund
Es ist eine neue Generation von Intellektuellen in Deutschland herangewachen oder auch erneut eingewandert. Auch diese Menschen haben keinen leichten Stand in Deutschland. Sie werden aufgrund ihres „andersartigen Aussehens“ nicht als volles Mitglied der hiesigen Gesellschaft angenommen.
Seit der Einwanderungswelle von Flüchtlingen im Jahr 2015 haben Rassismus, Antisemitusmus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland noch mal zugenommen. Damit erreichen die Diskriminierungen alle Schichten der Eingewanderten, egal ob sie sich hier gut integriert haben oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob sie von Kindergarten bis zur Universität die höchsten deutschen Bildungsstände erreicht haben oder nicht. Ein Großteil auch der Intellektuellen fühlt sich als Opfer und aus der hiesigen Gesellschaft ausgegrenzt.
Äußerst beunruhigend und besorgniserregend ist der Fall der frankfurter Anwältin Seda Basay Yildiz. Sie und sogar ihre kleine Tochter wurden monatelang durch rechtsextreme Polizisten aus Frankfurt durch Briefe und Faxe mit fremdenfeindlichen Inhalten bedroht. Nach dem dieser Fall bekannt wurde, wurden Ermittlungen gegen die Polizisten aufgenommen. Scheinbar hält das diejenigen, die diese Ressentiments gegen die Anwältin bzw. Fremde hegen, nicht davon ab, weitere fremdenfeindliche Bedrohungen trotz der derzeit laufenden Ermittlungen einzustellen. Denn, die Anwältin berichtete jüngst, erneut bedroht worden zu sein.
Dieser Fall zeigt, dass die Fremdenfeindlichkeit sogar bis in die Organe der Sicherheitsbehörden durchgedrungen ist. Wie kann der Bürger – und im Besonderen der Bürger mit Migrationshintergrund – sich als Minderheit auf den Schutz durch Sicherheits- und Ordnungsbehörden verlassen?
In Deutschland ausgebildete Ärzte, Anwälte, Steuerberater, Ingenieure, Architekten, IT-Fachkräfte etc. mit Migrationshintergrund haben in der hiesigen Bevölkerung ein geringeres Ansehen als ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen. Wenn Deutsche eine/einen Fachfrau/Fachmann mit Mitgrationshintergrund aufsuchen oder aufsuchen müssen, stellen sie sich und auch der/dem Fachfrau/Fachmann die Fragen, ob diese/dieser gut deutsch spricht, fachlich qualifiziert ist, im Sinne der Interessen der
Deutschen handelt und ob sie/er in irgend wann in die „Heimat“ zürückkehren möchte.
Bei der Suche von Fachfrauen oder -männern werden die Mitglieder der hiesigen Gesellschaft von „fremd“ klingenden Namen und „fremdem“ Aussehen abgeschreckt.
Es kommt nicht selten vor, dass Menschen mit Migrationshintergrund ihre „ausländisch“ klingenden Namen ändern und „deutsch“ klingende Namen annehmen, um nicht gleich von vornherein auf den Suchlisten oder –seiten der Fachleute ausgegrenzt zu werden.
Es kommt nicht selten vor, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Rahmen ihrer Einbürgerungsverfahren sogar von Behörden gefragt werden, ob sie nicht auch ihre Namen ändern möchten. Es wird damit suggeriert, dass der bisherige Name nicht wert ist, „im Deutschen weitergeführt zu werden“.
Eine solche Frage wurde einer hannoverschen Anwältin, als sie sich um die deutsche Staatsbürgerschaft während ihres Studiums beworben hatte, bei der Behörde für Einbürgerungen in Hannover gestellt.
Eine Rechtsreferendarin musste sich während ihres Einsatzes in Amtsgerichten im Landkreis von den Ausbilderichtern und Ausbilderstaatsanwälten immer wieder die Frage anhören, wie sie es als „Ausländerin“ und dann auch noch als „Frau aus einem solchen Kulturkreis“ geschafft habe, zu studieren.
Dass solche Fragen von Seiten der „Einheimischen ohne Migrationshintergrund“ und Rechtfertigungennotwendigkeiten durch die „Einheimischen mit Migrationshintergrund“ nicht mehr berechtigt sind, erschließen sich eigentlich daraus, dass die „Einheimischen mit Migrationshintergrund“ bereits in der 4. Generation hier leben. Aber die „Einheimischen ohne Migrationshintergrund“ sind nicht offen und sehen sie immer noch als die sog. „Gastarbeiter“ an. Das hat nach wie vor für das bürgerliche, zivilgesellschaftliche Zusammenleben fatale Folgen. Es entstehen weiterhin Fremdenfeindlichkeiten, Leitkulturgedanken und extrem nationale Bewusstseinsentwicklungen.
Der niedersächsische Vorsitzende der Jungen Union Tilman Kuban ´s Interview wurde am 21.02.2019 in der Hannoverschen Allgemeinen abgedruckt. Demnach sagt Herr Kuban: „Viele Menschen treibt der Zusammenhalt unserer Gesellschaft um, besonders wenn mehrere Menschen mit Migrationshintergrund zu uns kommen. Wir müssen uns klar werden über unsere Leitkultur.“
Auf der anderen Seite aber will er sich um die Nachfolge des Burghard Balz im Europäischen Parlament bewerben und europäische Interessen vertreten. Wie passt das zusammen, wenn er auf der einen Seite die deutsche Leitkultur propagiert, auf der anderen Seite aber sich für europäische Werte einsetzen möchte?
Wenn ein friedliches Europa gebaut und verankert werden soll, dann muss ins Bewusstsein aller Menschen eine Willkommenskultur gebracht werden. In allen europäischen Ländern müssen die Voraussetzungen für eine solches Europa geschaffen werden. Debatten über Leitkulturen, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitsmus und Diskriminierungen haben genau das Gegenteil zur Folge. Unter einer solchen Entwicklung kann kein friedliches und gemeinsames Europa entstehen. Die politischen Verantwortlichen müssen vielmehr die einheimische Bevölkerung für die Ziele, ein friedliches gemeinschaftliches Europa zu schaffen, sensibilisieren. Sie muss ihren Bürgern nahebringen, dass die Einwanderung, die Minderheitsrechte und eigene kulturelle Identitäten unter Beachtung der kulturellen Identität der anderen unmittelbar miteinader verwoben ist. Es muss mit Bestimmheit vorgebracht werden, dass die Fremdenfeindlichkeit und der Rassismus eine große Gefahr für die Demokratie in Europa und in Deutschland sind.
Fremdenfeindliche, rassistische und antisemitsche Äußerungen zum Nachteil von Eingewanderten/Minderheiten – die durch einige Parteien bis in die Landtagsparlamente und in den Bundestagsparlament ihren Weg genommen haben – müssen im Keim erstickt werden und es muss auf ein Umdenken bei diesen Parteien oder Menschen hin gearbeitet werden.