Die AfD will den Bundestag nutzen, um gegen den Journalisten Deniz Yücel Front zu machen. Die SPD fühlt sich dabei an Putin erinnert.
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Die AfD will den Bundestag nutzen, um gegen den Journalisten Deniz Yücel Front zu machen. Die SPD fühlt sich dabei an Putin erinnert.
Die SPD hat die Forderung der AfD nach einer Missbilligung von Äußerungen des Journalisten Deniz Yücel durch die Bundesregierung scharf zurückgewiesen. „Die Missbilligung eines journalistischen Textes durch den Bundestag oder die Bundesregierung kommt staatlicher Zensur sehr nahe“, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, dem Handelsblatt. „Die AfD zeigt damit, dass sie näher bei Erdogan und Putin steht, als auf dem Boden des Grundgesetzes.“
Die AfD will, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, Äußerungen Yücels zu missbilligen. Die Abgeordneten der Fraktion wollen dazu am Donnerstag einen entsprechenden Antrag vorlegen. Die AfD bezieht sich darin auf Kolumnen, die der Journalist für die „Tageszeitung“ (taz) am 6. November 2012 („Das ist nicht witzig“) und am 4. August 2011 („Geburtenschwund“) geschrieben hat.
Die AfD schreibt, es sei dringend dem Eindruck entgegenzutreten, dass „die durch nichts begründete bevorzugte Behandlung des Deniz Yücel durch die deutsche Regierung“ etwa eine Billigung seiner „Deutschland-feindlichen Äußerungen“ einschließe. Dies könne nur durch öffentlich ausgesprochene Missbilligung geschehen.
Auch die Grünen kritisierten den Vorstoß scharf. „Es ist schon sehr bemerkenswert, dass ausgerechnet die AfD, die sich als die einzigen Gralshüter der Presse- und Meinungsfreiheit aufspielt, diesen Antrag einreicht“, sagte die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, dem Handelsblatt. „Ganz offensichtlich haben die AfD-Vertreter den Kern dieses Grundrechts überhaupt nicht verstanden.“ Denn dieses schütze eben auch alle Äußerungen, die nicht ihren eigenen politischen Vorstellungen entspreche. „Da muss die Bundesregierung überhaupt nichts missbilligen.“
AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann sprach am Dienstag von einer „Notwendigkeit“, die Aussagen Yücels zu „missbilligen“. Er nahm dabei auch Bezug auf den geschäftsführenden Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Dieser hatte den „Welt“-Korrespondenten im ZDF einen ein „deutschen Patrioten mit türkischen Wurzeln“ genannt. Baumann sagte dazu: „Die Riesenaufmerksamkeit des deutschen Patrioten sollte eine Korrektur erfahren.“ Er griff Yücel zugleich persönlich an: „Wenn der Begriff Hassprediger passt, dann hier.“
Der Antrag der AfD soll am frühen Abend im Bundestag beraten werden. Vorgesehen ist dazu eine 45-minütige Debatte. Noch offen ist, ob über den Antrag abgestimmt oder dieser zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen wird. Yücel ist ein deutsch-türkischer Journalist, der nach einjähriger Untersuchungshaft in der Türkei am letzten Freitag aus der Haft entlassen wurde.
Der Deutsche Journalisten-Verband warf der AfD vor, das Parlament für Medienhetze zu missbrauchen. Es sei „geradezu absurd, dass die AfD den Bundestag als Bühne für ihr gestörtes Verhältnis zur Presse- und Meinungsfreiheit benutzen will“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Erneut stelle die Partei unter Beweis, dass sie nicht zwischen journalistischen Stilformen unterscheiden könne. Bewusst versuche sie, satirische Äußerungen als Tatsachenbehauptungen hinzustellen. „Das sollten sich die Abgeordneten der anderen Parteien nicht bieten lassen.“
Die Grünen-Politikerin Rößner betonte überdies, dass Yücel in Haft genommen worden sei, weil er als Journalist seinen Job gemacht habe. Von der Bundesregierung erwarte sie, dass sie sich mit aller Kraft für die Freilassung jedes einzelnen der - nicht nur in der Türkei - zu Unrecht inhaftierten Staatsbürgers einsetze. „Darüber hinaus sollte die Bundesregierung sich weltweit deutlich intensiver für den Schutz von Journalisten und Regierungskritikern einsetzen, die unter Beschuss stehen, verfolgt werden oder inhaftiert sind“, sagte Rößner.