Offener Brief an die Republik Türkei und die Bundesrepublik Deutschland
Dienstag, der 7. März 2017
Türkische Gemeinde in Detuschland
Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit sind wesentliche Grundpfeiler der Demokratie. Es zeichnet Demokratien aus, dass sie diese Freiheiten voller Selbstvertrauen schützen sowie gewährleisten und dies auch in Zeiten des Populismus tun. Diese Prinzipien gelten selbstverständlich auch für türkische Regierungsvertreter, die im Ausland, z. B. in der Bundesrepublik Deutschland, auftreten.
Es ist aber an der Zeit, die türkischen Regierungsvertreter an ihre Pflichten zu erinnern und an ihr Verantwortungsgefühl zu appellieren.
Die Pflicht türkischer Regierungsvertreter ist es, ein gutes, friedliches und gelingendes Leben aller türkischen Bürger in dem jeweiligen Land zu unterstützen – unabhängig davon, ob diese Bürger für die regierende Partei stimmen oder nicht. Als gewählte Volksvertreter haben sie eine Verantwortung für alle Menschen übernommen, nicht nur für ihre Anhänger!
Es ist die Pflicht der türkischen Regierung, in der Türkei Demokratie und Freiheit sicherzustellen und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Indes werden im Vorfeld des Regierungsreferendums die Bürger allerdings nach Ja- und Nein-Wählern kategorisiert. Gegner der geplanten Verfassungsänderung werden als Terroristen und Landesverräter stigmatisiert. Ihre Meinungs- und Versammlungsfreiheit wird von der Regierung nach Belieben eingeschränkt. Zusammengenommen mit den massiven Einschränkungen der Pressefreiheit ergeben sich große Sorgen um die Demokratie in der Türkei – auch in Bezug auf die Spaltung der Gesellschaft.
Wenn die türkische Regierung jetzt Deutschland für die erlebten Einschränkungen jenseits aller diplomatischen Gepflogenheiten auf aggressive Weise kritisiert, dann wirkt das auf geradezu tragische Art unaufrichtig. In ihrer unbegründet harten Sprachwahl vermittelt die türkische Regierung Inhalte, die Bedrohung und Verleumdung transportieren. Zurück bleiben Spannungen innerhalb der türkischen Gemeinschaft in Deutschland, die für dieses sinnlose populistische Anheizen den Preis zu zahlen hat. Es handelt sich um ein verantwortungsloses Vorgehen, das die türkeistämmigen Menschen in Deutschland, ganz unabhängig von ihren jeweiligen türkeipolitischen Einstellungen, um ihre verbesserten Perspektiven bringt. Sie und ihre Kinder werden in Schulen, an ihren Arbeitsplätzen, im sozialen und kulturellen Leben für diese fatale Politik einstehen müssen. Die errungenen Fortschritte in Bezug auf politische, sozio-kulturelle und wirtschaftliche Teilhabe in Deutschland lebender Türken, werden für die Durchsetzung politischer Ziele aufs Spiel gesetzt. Als ob die offensichtliche Politik der Spaltung in der Türkei selbst nicht ausreichen würde, wird auch in Deutschland seitens der türkischen Regierung eine Kampagne forciert, die die Polarisierung innerhalb der türkischen Gemeinschaft vorantreibt und Menschen gegeneinander aufbringt. Keine Partei und kein Politiker haben das Recht, langjährige gute Beziehungen zu zerstören und einen Keil zwischen Menschen zu treiben, seien sie deutscher oder türkischer Herkunft oder Staatsangehörigkeit.
Deshalb appellieren wir an die Türkische Gemeinschaft in Deutschland, sich nicht spalten zu lassen, sondern sich mit gegensätzlichen Positionen auseinanderzusetzen, diese auszuhalten, wie es sich in einer Demokratie gehört, und dabei das gemeinsame Ziele eines guten Zusammenlebens in Deutschland nicht aus dem Blick zu verlieren.
Von der deutschen Regierung wünschen wir uns trotz dieser besorgniserregenden Entwicklungen, dass auf diese Provokationen nicht eingegangen und weiterhin eine Politik des kühlen Kopfes und der ruhigen Hand betrieben wird.
Die Menschen in Deutschland fordern wir auf, sich einen differenzierten Blick auf ihre türkeistämmigen Nachbarn, Kollegen und Freunde zu bewahren, und keine Urteile über Menschengruppen, sondern nur über Einzelpersonen zu fällen.
Vorstand der Türkischen Gemeinde in Deutschland