Uni-Präsident fordert von Boris Palmer Entschuldigung
Von dpa
Boris Palmer ist ein deutscher Politiker, dessen Mitgliedschaft bei Bündnis 90/Die Grünen bis Ende 2023 ruht. Seit 2007 ist er Oberbürgermeister der Stadt Tübingen.
In einem Streit vor der Goethe-Universität wird Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer als „Nazi“ beschimpft. Er wehrt sich: Eine solche Ausgrenzung sei in der Methode mit dem „Judenstern“ vergleichbar. Nun fordert der Uni-Präsident für diese „den Holocaust relativierende Aussage“ eine Entschuldigung.
Eine verbale Auseinandersetzung von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main sorgt für Aufsehen. Der Präsident der Goethe-Universität forderte den Palmer auf, sich zu entschuldigen. Der Tübinger hatte am Freitag vor einem Gebäude der Goethe-Universität zu Art und Weise seiner Verwendung des „N-Wortes“ Stellung bezogen. Er wurde daraufhin mit „Nazis raus“-Rufen konfrontiert. Daraufhin sagte Palmer zu der Menge: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem Ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für Euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.“
Palmer bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Äußerungen so gefallen sind. „Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen, als Vergleich herangezogen“, erklärte Palmer den Kontext aus seiner Sicht. Er habe den Protestierern erklärt, dass Nazis die Gräber seiner Vorfahren mit Hakenkreuzen beschmiert hätten und ihnen entgegnet, dass „ihre Methode der Ächtungen und Ausgrenzung sich nicht vom Judenstern unterscheidet“. Mehr wollte der 50-Jährige dazu am Samstag nicht sagen.
In einer Stellungnahme erklärte der Präsident der Universität, Enrico Schleiff: „Jede explizite oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen inakzeptabel und wird an und von der Goethe-Universität nicht toleriert – dies gilt gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe.“ Er verurteile Palmers Rechtfertigungsversuche „aufs Schärfste“ und akzeptiere dies weder persönlich noch als Präsident. „Daher erwarte ich nicht nur eine öffentliche Entschuldigung von Herrn Palmer an die von seiner Beleidigung betroffenen Personen, sondern auch an die jüdische Gemeinschaft und gegenüber der Goethe-Universität.“
Palmer bestätigte der dpa die Verfolgung seiner jüdischen Vorfahren durch die Nazis. 2021 hatte er seine Familiengeschichte auf Facebook thematisiert: Auf dem jüdischen Friedhof in Königsbach lägen seine Ahnen bis ins 18. Jahrhundert. 1937 sei die Familie dann die Flucht in die USA gelungen. Sein Vater blieb als „uneheliches Kind einer Nichtjüdin im Remstal und wurde in der Schule vom Lehrer Moses genannt, nicht Helmut“.
Palmer: Kontext entscheidet darüber, ob jemand ein Rassist ist
In einem Facebook-Post am Samstag erläuterte Palmer, er sage das N-Wort, weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere. „Das hoch umstrittene Wort“ gehöre jedoch nicht zu seinem aktiven Wortschatz. „Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext.“
Palmer hatte im Mai 2021 in einem Facebook-Beitrag über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmers Äußerung hatte massive Kritik auch bei seinen damaligen grünen Parteikollegen ausgelöst.
Ein Parteiausschlussverfahren endete vor einem Jahr mit dem Kompromiss, dass Palmer seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende dieses Jahres ruhen lässt. Im Oktober 2022 war er in Tübingen dann als unabhängiger Kandidat angetreten und war im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit – unter anderem gegen die Kandidatin der Grünen – für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden.
Bei der Migrationskonferenz an der Frankfurter Goethe-Universität benutzte Palmer das N-Wort ebenfalls. Von anderen Teilnehmern der Konferenz wird er dafür scharf kritisiert. So schrieb der Islamismusexperte Ahmad Mansour auf Twitter: „Das N-Wort ist rassistisch und verletzend! Deshalb halte ich es für falsch insgesamt, aber vor allem im Kontext einer Tagung über Migration und Integration, so ein Wort zu verwenden.“
Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) hielt ein Grußwort bei der Konferenz. „Die Wortwahl und die Beiträge von Boris Palmer an der Universität Frankfurt sind indiskutabel. Derartige Provokationen leisten Spaltung, Ausgrenzung und Rassismus Vorschub. Sie schaden in einer Debatte, die mit Sensibilität und Ernsthaftigkeit zu führen ist“, sagte der CDU-Politiker am Samstag in einer Pressemitteilung.
Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in der schwäbischen Universitätsstadt. Mit pointierten Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt. Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachte aber auch sein Management während der Corona-Pandemie. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte kurz nach der Wiederwahl Palmers auf eine schnellere Wiederaufnahme Palmers bei den Grünen gedrungen