Deutschlandfunk
In der Debatte um türkische Schulen in Deutschland warnt der Grünen-Politiker Volker Beck vor einer ideologisch ausgerichteten Bildungspolitik. Solange diese vom türkischen Antiintegrationskurs dominiert werde, sei es besser, die türkische Sprache im deutschen Bildungssystem aufzuwerten, sagte Beck im Dlf.
Hören Sie unsere Beiträge in der Dlf Audiothek- Türkische Schulen in Deutschland? Grünen-Politiker Volker Beck meint, man soll der Erdogan-Führung nicht mehr Instrumente in die Hand geben, mehr Ärger zu produzieren als unbedingt nötig (Bodo Marks/dpa)
Einflussnahme auf junge, türkischstämmige Menschen
Thekla Jahn: Herr Beck, inwiefern ist die Türkei schon deutlich weiter? Sie sind offenbar alarmiert.
Beck: Die Türkei hat bereits erste Schritte zur Umsetzung ihres Schulsystems in Deutschland ergriffen. Im April letzten Jahres wurde eine gemeinnützige Gesellschaft, eine Tochter der türkischen Maarif-Stiftung, in Köln gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Damit ist auch klar, wohin der Hase laufen soll. Diese Maarif-Foundation ist weltweit dafür zuständig, in der Diaspora die Bildungspolitik im Sinne der AKP auszurichten.
Es wird Druck gemacht, Schulen aus der Gülen-Bewegung die Lizenz zu entziehen, und man will neben anderen Einflusstools, die man über die Moscheen hat, die Seta-Stiftung hat, hier auch in Deutschland stärker Einfluss nehmen auf die Ausrichtung der jungen Generation der türkischstämmigen Menschen. Das geht gegen die Integration, das kann eigentlich nicht in unserem Interesse sein.
(picture alliance / dpa / Can Merey)Türkische Schulen in Deutschland – Keine Kompromisse mit Ankara
Alle Parteien warnten vor der Gründung türkischer Schulen in Deutschland – und dieser politische Burgfriede bestehe zu Recht, kommentiert Sebastian Engelbrecht. In den Verhandlungen mit Ankara dürfe es keine Kompromisse geben. Die ideologische Manipulation von Schülerinnen und Schülern müsse verhindert werden.
„Grundkonflikt mit dem deutschen Schulrecht ist angelegt“
Jahn: Sind die Bildungspolitiker in Deutschland, in den Ländern und im Bund zu naiv, was die Regierung Erdogan und ihr Vorgehen, ihre mögliche bildungspolitische Propaganda angeht?
Beck: Ich befürchte das ein wenig, weil eigentlich der Grundkonflikt mit dem deutschen Schulrecht ist angelegt. Natürlich gilt dann deutsche Schulaufsicht, und letztendlich kann man, wenn das nicht so läuft, wie das eine demokratische Schulpolitik verlangt, auch wieder zu einer Schließung von Schulen führen, aber man weiß genau, solche Konflikte, die muss man erst mal politisch durchstellen. Die haben außenpolitische Implikationen. Da stellt sich schon die Frage, ob man es denn überhaupt beginnen soll, wenn eigentlich klar ist, dass die Intention zwischen dem, was die türkische Regierung da bezweckt und zwischen dem, was unser demokratisches Schulrecht vorgibt, diametral entgegenstehen.
„Was da an Problemen auf uns zukommt, ist einfach so klar absehbar“
Jahn: Jetzt ist es ja so, dass die Türkei dafür, dass Deutschland Schulen in Ankara, Izmir und Istanbul betreiben darf, die Schulen in Köln, Frankfurt und Berlin möchte. Sollte sich Deutschland nicht darauf einlassen und sagen, okay, dann werden eben die drei Schulen in der Türkei geschlossen?
Beck: Ich finde, wir sollten uns auf keinen Fall erpressen lassen durch diese Situation. Also da zeigt uns schon Ankara so ein bisschen das Folterwerkzeug, aber ich finde, die Implikationen, die das hier in Deutschland haben kann, wenn wir da jedes Jahr hunderte von Schülern ideologisch ausgerichtet aus türkischen Schulen in Deutschland kommen lassen, das kann eigentlich nicht in unserem Sinne sein.
Notfalls bin ich in der Tat eher dafür, dass man einen Preis zahlt, als dass man hier Konzessionen macht und letztendlich dann die Suppe hinterher auslöffeln muss. Es soll keiner hinterher sagen, man habe nicht vorher gewarnt, weil das, was da an Problemen auf uns zukommt, ist einfach so klar absehbar, dass man, ich glaube, gerade den Reibungsstoff zwischen der türkischen Community in Deutschland und der Mehrheitsgesellschaft nicht vergrößern muss. Die Mehrheit der Menschen mit türkischen Wurzeln fühlen sich ja auch durch die türkische Regierung und dergleichen Initiativen eher bedrängt als das ihnen geholfen wird.
Türkische Lehrer, hundert Prozent auf Kurs der Staatsführung
Jahn: Um da noch mal darauf zurückzukommen, was ist Ihre genaue Befürchtung, was durch diese von der Türkei in Deutschland geplanten Schulen hier passiert?
Beck: Na ja, es ist ja klar, die Türkei wird die Lehrer auswählen, und die Türkei wird Lehrer nehmen, die hundert Prozent auf Kurs der Staatsführung sind, wird Leute auch, die da Zweifel aufkommen lassen, womöglich wieder rausschmeißen, und die werden in einer bestimmten Art und Weise den Stoff vermitteln, Sachen betonen, andere Sachen ausblenden. Das kann man letztendlich mit dem Schulrecht nicht allein in den Griff bekommen.
Wir müssen uns ja nur mal anschauen, was die Türkei mit ihren Möglichkeiten macht, wo sie auch selbstverständliche Freiheitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern instrumentalisiert, was in den DITIB-Moscheen stattfindet, bis hin über die DITIB-organisierten Spionage gegen Bürger in unserem Land. Also ich glaube, wir sollten da der Erdogan-Führung nicht mehr Instrumente in die Hand geben, hier Ärger zu produzieren als unbedingt nötig.
„Wird es für die Türkei wichtig, wird überhaupt keine Rücksicht mehr genommen“
Jahn: Jetzt hat das Auswärtige Amt gesagt, die Rechtsform, die geplante, dieser türkischen Schulen, die als Ersatzschulen firmieren, die sei ausreichend, um vor ideologischer Einflussnahme zu schützen. Was sagen Sie darauf?
Beck: Wenn man dann auch den Mumm hat, Grenzüberschreitungen ultimativ zu ahnden, bis hin zur Schließung der Einrichtung, aber wenn ich schon jetzt höre, dass man da die Probleme kleinredet, glaube ich nicht, dass man dann soweit gehen wird, weil man dann hat man immer einen richtigen diplomatischen Konflikt, wenn man eine Schule schließt, weil sie sich nicht an die Regeln des Schulgesetzes hält